Was sind Pflegegrade - und was bedeutet der Pflegegrad für mich?
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Was sind Pflegegrade - und was bedeutet der Pflegegrad für mich?

Die Höhe der Pflegeleistungen der Pflegekasse ist abhängig vom Pflegegrad, der Dauer der Pflege und der Art der Pflege. Es werden fünf Pflegegrade unterschieden: von leichter Pflegebedürftigkeit bis hin zu intensiver Pflegebedürftigkeit. Die Einstufung nimmt ein Gutachter vor. Beim Pflegegrad sind viele Menschen unsicher: Was ist der Pflegegrad? Wer stellt den Pflegegrad fest? Wie viel Geld bekommt der Pflegebedürftige? Und kann man gegen die Einstufung Widerspruch einlegen? Die wichtigsten Fakten zu den Pflegegraden.

Was sind Pflegegrade?

Um Pflegeleistungen von der Pflegekasse beantragen zu können, muss die pflegebedürftige Person selbst – oder eine bevollmächtigte Person – einen Antrag bei der Pflegekasse (das geht über die Krankenkasse) stellen. Die Pflegekasse ist verpflichtet, innerhalb von 25 Tagen den Antrag zu bearbeiten. Anschließend schickt die Pflegekasse dem Pflegebedürftigen ein Formular zum Ausfüllen zu (Antragsformular Pflegegrad). Darin wird unter anderem festgehalten, ob die Pflege zuhause – und wenn ja von wem – oder in einer Pflegeeinrichtung stattfinden soll. Bei Fragen kann man sich an die Pflegekasse, eine Pflegeberatungsstelle oder einen Pflegestützpunkt wenden. Antragsteller haben einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegeberatung.

Das Pflegetelefon

Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums (Telefonnummer: 030 20 17 91 31, montags bis donnerstags von 9 Uhr bis 18 Uhr) bietet telefonische Beratung rund um das Thema Pflege und richtet sich an Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, Dienstleister im Pflegesektor sowie die Arbeitgeber und das Umfeld von pflegenden Angehörigen.

Wie wird der Pflegegrad festgelegt?

Um den Pflegegrad festzustellen, vereinbart ein:e Gutachter:in einen Termin für einen Besuch bei dem:der Pflegebedürftigen. Bei gesetzlich Versicherten kommt ein Gutachter oder eine Gutachterin der Pflegekasse, bei privat Versicherten erstellt der Gutachterdienst Medicproof das Gutachten. Tipp: Ein Angehöriger oder eine Pflegeperson sollte bei dem Termin mit dabei sein, um dem:der Gutachter:in wichtige Hinweise zur aktuellen Pflegesituation zu geben.

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Welchen Pflegegrad habe ich?

Der:die Gutachter:in (ein:e Ärzt:in oder eine erfahrene Pflegefachkraft) schaut, wie eingeschränkt der:die Antragsteller:in ist und wie ausgeprägt körperliche, geistige und psychische Einschränkungen sind. Anhand der Informationen des Besuchs ermittelt der:die Gutachter:in den Pflegegrad. Je größer die Einschränkungen sind, desto höher ist der Pflegegrad und desto höher sind die Leistungen der Pflegekasse. Der Bescheid zur Einstufung bekommt der:die Pflegebedürftige von der Pflegekasse schriftlich mitgeteilt. Zusätzlich zur Entscheidung über den Pflegegrad bekommt der:die Pflegebedürftige auch das Pflegegutachten übermittelt.

Pflegegrade 1 bis 5: Wann welcher Pflegegrad?

Es gibt fünf Pflegegrade. Bei Pflegegrad 1 liegen geringe Einschränkungen vor, bei Pflegegrad 5 erhebliche. Im Rahmen der Begutachtung überprüft der:die Gutachter:in die körperliche, geistige und psychische Selbständigkeit beziehungsweise Einschränkungen in sechs Lebensbereichen mit unterschiedlicher Gewichtung:

  • Selbstversorgung (40%)
  • Mobilität (10%)
  • Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (15%)
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15%)
  • Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (20%)

Ebenso werden Haushaltsführung sowie außerhäusliche Kontakte mit in die Bewertung aufgenommen.

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Die Punkte und der Pflegegrad

Abhängig von der Einschränkung werden Punkte vergeben.

  • 12,5 bis unter 27 Punkte: geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
  • 27 bis unter 47,5 Punkte: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
  • 47,5 bis unter 70 Punkte: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
  • 70 bis unter 90 Punkte: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
  • 90 bis 100 Punkte: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Pflegegrad 1 bis 5: Diese Pflegeleistungen gibt es

Welcher Pflegegrad beinhaltet welche Leistungen? Abhängig von der Einstufung in einen Pflegegrad erhält die pflegebedürftige Person finanzielle Unterstützung zur Pflege von der Pflegekasse.

Pflegegrade Geldleistung (Pflegegeld) ambulant Pflege-Sachleistung ambulant Entlastungsbetrag ambulant (zweckgebunden) Leistungsbetrag vollstationär
1     125 Euro 125 Euro
2 316 Euro 724 Euro 125 Euro 770 Euro
3 545 Euro  1.363 Euro 125 Euro 1.262 Euro
4 728 Euro 1.693 Euro 125 Euro 1.775 Euro
5 901 Euro 2.095 Euro 125 Euro 2.005 Euro

* Die Tabelle zu den Pflegegraden und ihren Leistungen ist aus dem Flyer „Pflegebedürftig. Was nun?“ des Bundesministeriums für Gesundheit entnommen. (Stand: Januar 2023)

Gesetzlich und privat Versicherte erhalten die gleichen pauschalen Leistungen von der Pflegekasse. Bei Sachleistungen erhalten Privatversicherte allerdings eine Kostenerstattung. Das heißt, sie müssen die Kosten zuerst selbst zahlen und bekommen den ihnen zustehenden Anteil zurückerstattet.

Wichtig: Die Pflegeversicherung ist eine Teilkostenversicherung. Das heißt, dass sie nicht die gesamten Kosten für die Pflege übernimmt, sondern nur einen Anteil trägt.

Was ist Pflegegeld?

Pflegegeld ist der Geldbetrag, der gezahlt wird, wenn Angehörige und/oder ehrenamtlich Pflegende die Pflege übernehmen. Das Pflegegeld ist eine monatliche Sozialleistung der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherungen und steht allen Pflegebedürftigen ab einem Pflegegrad 2 zu, die zuhause unentgeltlich von Angehörigen, Freunden oder ehrenamtlichen Pflegenden gepflegt werden. Die Höhe der Geldleistung ist abhängig vom Pflegegrad.

Was ist eine Pflege-Sachleistung?

Eine Pflegesachleistung ist das Budget, das Leistungen von professionellen Pflegekräften wie dem ambulanten Pflegedienst oder einem ambulanten Betreuungsdienst unterstützt, der bei der körperbezogenen Pflege, Betreuung und im Haushalt hilft. Anspruch auf Pflege-Sachleistung haben Menschen mit Pflegegrad 2 bis 5. Die Höhe der Leistungen ist abhängig vom Pflegegrad. Wichtig: Nur Pflegedienste, die einen Versorgungsvertrag mit der Pflegekasse der zu pflegenden Person geschlossen haben, können Pflegesachleistungen erbringen.

Was ist ein Entlastungsbetrag?

Alle Pflegebedürftigen, die zuhause versorgt werden und einen Pflegegrad haben, haben Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Der Entlastungsbetrag dient dazu, diese Leistungen finanziell zu unterstützen, wenn die Versorgung des:die zu Pflegenden zuhause stattfindet. Dieser einheitliche Zuschuss der Pflegeversicherung beträgt 125 Euro im Monat in jeder Pflegestufe. Der Betrag wird nur dann gewährt, wenn auch tatsächliche Leistungen in Anspruch genommen wurden. Der:die Versicherte geht in Vorleistung, zahlt die Kosten für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen und reicht die entsprechenden Rechnungen bei der Pflegekasse ein, welche den Betrag anschließend überweist.

Was ist Leistungsbetrag vollstationär?

Der Leistungsbetrag vollstationär wird ausgezahlt, wenn die zu pflegende Person vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht ist. Die Pflegeversicherung zahlt bei vollstationärer Pflege pauschale Leistungen ab Pflegegrad 1 für pflegebedingte Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeheimen. Einen guten Überblick über zugelassene Pflegeheime geben zum Beispiel die Leistungs-­ und Preisvergleichslisten, die die Pflegekassen auf Anforderung kostenfrei zur Verfügung stellen.

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Weitere Leistungen der Pflegeversicherung

Was sind weitere Leistungen der Pflegeversicherung? Wer Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung hat, sollte sich gut informieren. Finanzielle Unterstützungen sind in weiteren Bereichen möglich, etwa zu Pflegehilfsmitteln, barrierefreien Umbau, Kurzzeitpflege, Wohngruppenzuschlag und weitere.

Pflegegrad: Ich bin mit der Einstufung nicht einverstanden – was tun?

Nicht immer erkennt die Pflegekasse den angestrebten Pflegegrad an. Ist der oder die Pflegebedürftige mit dem ermittelten Pflegegrad nicht einverstanden, ist es möglich, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss in der Regel innerhalb von vier Wochen der Pflegekasse per Post zugehen. Eine Begründung kann später nachgereicht werden. Im Anschluss an den Widerspruch wird ein Zweitgutachten erstellt. Sollte auch dieses Gutachten aus Sicht der pflegebedürftigen Person unzureichend sein, kann er:sie vor dem Sozialgericht klagen.

Leistungen der Pflegekasse

Wichtig zu wissen ist: Für die Pflege ist nicht zwingend nur die Pflegekasse zuständig. Ist die Pflegebedürftigkeit beispielsweise durch einen Arbeitsunfall entstanden, zahlt die Unfallkasse. Reichen die finanziellen Mittel für die Pflege nicht aus, unterstützt das Sozialamt unter bestimmten Voraussetzungen pflegebedürftige Menschen.

Der:die Antragsteller:in sollte sich vor dem Termin mit dem:der Gutachter:in informieren, welche Kriterien für die Ermittlung wichtig sind. Ebenso sollte er:sie alle wichtigen Unterlagen zur Einsicht bereithalten: aktuelle Berichte von Ärzt:innen, Medikamentenplan, Schwerbehindertenausweis sofern vorhanden, (Entlassungs-)Berichte von Reha-Einrichtungen und Krankenhaus, Liste der benötigten Hilfsmittel (Rollator, Krücken, Brille, Gehstock, Haltegriffe usw.) sowie eigene Notizen über die aktuelle Situation.
Es lässt sich nicht pauschal beantworten, mit welcher Pflegestufe man noch alleine leben kann. Abhängig ist das vom Gesundheitszustand, aber auch von der Unterstützung von außen, etwa von Angehörigen, dem:der Partner:in, Freunden sowie von der Hilfe durch professionelle Pflege-Leistungen. Je besser das Versorgungsnetzwerk funktioniert, desto länger kann eine Person zuhause leben – mit entsprechender Unterstützung. Fehlt Unterstützung durch Partner:in und Angehörige und müssen professionelle Pflegekräfte helfen, ist alleine leben oft nicht mehr möglich. Vor allem, wenn eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung notwendig wird. Eine Einschätzung können im individuellen Fall der behandelnde Arzt oder die Ärztin geben, aber auch der Medizinische Dienst sowie Pflegestützpunkte.
Reichen Rente und Einkommen nicht für die Pflege aus, können pflegebedürftige Personen einen Antrag auf finanzielle Hilfe zur Pflege beim Sozialamt beantragen. Das Sozialamt prüft die finanzielle Bedürftigkeit – dafür muss die finanzielle Situation offengelegt werden – und entscheidet dann, ob zusätzliche Hilfen gezahlt werden. Bei der Berechnung der finanziellen Bedürftigkeit werden Einkommen und Vermögen aller Angehörigen aus dem Haushalt der pflegebedürftigen Person berücksichtigt. Für den Antrag prüft das Sozialamt individuell, ob und in welcher Höhe Pflegebedürftige Anspruch auf Hilfe zur Pflege haben.

Quellen:

bundesgesundheitsministerium.de: „Die Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegeberatung“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegeleistungen zum Nachschlagen“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegebedürftig. Was nun?“. Online-Flyer (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Ratgeber Pflege. Alles, was Sie zum Thema Pflege wissen sollten“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

gesund.bund.de: „Wenn man sich Pflege nicht leisten kann: Hilfe zur Pflege“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

verbraucherzentrale.de: „Der Weg zum Pflegegrad“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Begutachtung durch Medizinischen Dienst: So können Sie sich vorbereiten“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Was Pflegegrade bedeuten und wie die Einstufung funktioniert“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Pflegegrad abgelehnt? So wehren Sie sich mit Widersprich und Klage“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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