Pflegende Angehörige: Alltag und Pflege unter einen Hut bekommen
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Pflegende Angehörige: Alltag und Pflege unter einen Hut bekommen

Von fünf Pflegebedürftigen werden vier zuhause versorgt. Auf die pflegenden Angehörigen kommen im Rahmen der Pflege neue Herausforderungen zu. Nicht nur Bürokratisches muss geregelt werden: etwa die Suche nach einem ambulanten Pflegedienst oder einer Pflegeeinrichtung sowie die Organisation der Antragsstellung bei der Pflegekasse für Pflegeleistungen. Auch der Alltag aller Beteiligten verändert sich durch die Pflegesituation: Wer kann wann helfen, etwa zu Arztterminen fahren? Lassen sich Pflege und Beruf miteinander vereinbaren? Welche Pflegeunterstützung von außen brauchen wir? Hinzu kommt oft die Sorge um den pflegebedürftigen Menschen. Nicht selten gehen pflegende Angehörige über ihre Grenzen – und fühlen sich irgendwann überfordert, erschöpft und hilflos. Verschiedene Begleitungs- und Unterstützungsangebote helfen, die Anforderungen zu meistern – und trotzdem noch Raum für sich zu finden.

Plötzlich Pflegefall in der Familie: Das müssen pflegende Angehörige klären

Braucht ein Familienmitglied Pflege, etwa der Vater oder die Mutter, ist die Familie meist zuerst ratlos und überfordert. Besonders herausfordernd ist es, wenn sich die Pflegebedürftigkeit plötzlich und unerwartet einstellt. In dieser Situation sollten sich Angehörige immer zuerst fachkundige Hilfe holen, um einen Überblick über die anstehenden Aufgaben und Unterstützungsangebote zu erhalten.

Das Pflegetelefon

Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums (Telefonnummer: 030 20 17 91 31, montags bis donnerstags von 9 Uhr bis 18 Uhr) bietet telefonische Beratung rund um das Thema Pflege und richtet sich an Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, Dienstleister im Pflegesektor sowie die Arbeitgeber und das Umfeld von pflegenden Angehörigen.

Häufige Fragen von pflegenden Angehörigen

Die drängendsten Fragen von pflegenden Angehörigen bei einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit sind meist:

  • Welche Pflege benötigt der:die Pflegebedürftige?
  • Kann die pflegebedürftige Person zuhause versorgt werden oder muss die Versorgung in einem Alten- oder Pflegeheim erfolgen?
  • Was sind die nächsten Schritte, um Unterstützung für die Strukturierung der Pflege zu erhalten?
  • Welche Formulare müssen ausgefüllt werden und wie bekommen wir finanzielle Unterstützung?
  • Worum müssen wir uns rechtlich kümmern?

Wichtig zu wissen: Ist zum derzeitigen Zeitpunkt keine Versorgung zuhause möglich, etwa weil Hilfsmittel wie ein Pflegebett organisiert werden müssen, und braucht der Pflegebedürftige eine Übergangsbetreuung, halten Seniorenheime Notfall-Plätze vor. Die sogenannte Kurzzeitpflege kann bis zu acht Wochen im Jahr genutzt werden und wird von der Pflegekasse mit bis zu 1.774 Euro bezuschusst.

Jeder Pflegefall ist eine ganz individuelle Situation und pauschale Ratschläge sind daher schwer. Wird ein Angehöriger aufgrund einer Akutsituation im Krankenhaus versorgt, ist es im ersten Schritt hilfreich, wenn der behandelnde Arzt den aktuellen Pflegebedarf einschätzt. Anschließend sollte eine Beratung über den Sozialdienst im Krankenhaus erfolgen. Nach der Krankenhausentlassung bieten auch Seniorenberatungsstellen, Seniorenbüros und Pflegestützpunkte Hilfe an.
— Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V.

Konfliktpotenzial: Wer übernimmt die Pflege?

Die Frage, wie die Pflege gestaltet sein soll, birgt nicht selten ein hohes Konfliktpotenzial. Während eine geringe Pflegebedürftigkeit innerfamiliär oft gut zuhause organisiert und gewährleistet werden kann, werden die Versorgung und die Organisation in höheren Pflegegraden zunehmend schwieriger. Angehörige fürchten oft, die Pflege zuhause aus verschiedenen Gründen nicht stemmen zu können. Die pflegebedürftige Person hingegen möchte häufig nicht „ins Heim abgeschoben werden“. Auch kommt es immer wieder vor, dass Pflegebedürftige keine fremden Personen in ihrer Wohnung haben möchten und sich auch nicht von Fremden waschen oder anderweitig versorgen lassen wollen. Kommt die Familie allein nicht zu einer gemeinsamen Lösung, kann möglicherweise ein:e Sozialarbeiter:in die Kommunikation zwischen den Beteiligten begleiten und helfen, Lösungen zu finden. Hilfe bieten Pflegestützunkte, Seniorenbüros sowie Betreuungsstellen an.

Hinweis: Pflegende Angehörige können Pflegegeld bekommen. Die Höhe des Pflegegelds ist nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt und wird ab Pflegegrad 2 geleistet: Pflegegrad 2 316 Euro im Monat, Pflegegrad 3 545 Euro im Monat, Pflegegrad 4 728 Euro im Monat, Pflegegrad 5 901 Euro im Monat. Das Pflegegeld wird der pflegebedürftigen Person von der Pflegekasse überwiesen. Diese kann über die Verwendung des Pflegegeldes frei verfügen und gibt das Pflegegeld in der Regel an die sie versorgenden und betreuenden Personen als Anerkennung weiter.   

Wo pflegende Angehörige Hilfe und Unterstützung finden

Wenn die Angehörigen die Pflege übernehmen möchten, müssen die Kapazitäten realistisch eingeschätzt werden. Nicht selten unterschätzen Angehörige die Pflege. Um die Bedarfe des Pflegebedürftigen und die Aufgaben der Angehörigen und Unterstützungsmöglichkeiten im Falle einer häuslichen Pflege einschätzen zu können, sind ebenfalls Ärzte, die Pflegekasse, Seniorenberatungsstellen, Pflegestützpunkte und Seniorenbüros Kontaktmöglichkeiten.

Lesetipp: 24-Stunden Betreuung: Versorgung rund um die Uhr.

Je besser alle Beteiligten über die pflegerischen Möglichkeiten informiert sind, desto leichter lässt sich ein gangbarerer Weg finden. Schauen Sie ehrlich auf die Bedarfe und ihre vorhandenen Ressourcen. Lassen Sie sich beraten, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt, wie diese beantragt und finanziell unterstützt werden können.
— Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V.

Wie können pflegende Angehörige entlastet werden?

 Folgende Fragen können helfen, Entlastungsangebote kennenzulernen, die man bislang noch nicht ausprobiert hat:

  • Welche Hilfen und (finanziellen) Leistungen bekommen wir von außen und können wir die aktuelle Unterstützung möglicherweise noch aufstocken?
  • Wäre ein Kompromiss denkbar: etwa eine Tages- oder Nachtpflege?
  • Welche Möglichkeiten habe ich als pflegender Angehöriger, Auszeiten zu schaffen? Etwa Urlaub? Wer übernimmt dann die Pflege?
  • Welche Unterstützung steht mir von Seiten des Arbeitgebers zu?
  • Können wir uns weitere Hilfsmittel zulegen, welche die Pflegesituation zusätzlich verbessern können?
  • Haben wir schon über ein Hausnotruf-System, einen Mahlzeiten-Dienst und eine Putzkraft nachgedacht?
  • Ließen sich zusätzliche Betreuungsangebote, Besuchsdienste und Hilfsdienste organisieren, etwa Hilfe beim Einkaufen, zur Begleitung bei Arztterminen oder für die Freizeitgestaltung (Spaziergänge, Lesen, Basteln, Musizieren)?
  • Welche Anlaufstellen habe ich, um mich auszutauschen und mir Sorgen von der Seele zu reden? Gibt es in meiner Nähe beispielsweise Austauschgruppen, etwa Angebote für Angehörige von Menschen mit Demenz? Die Erfahrungen anderer geben oftmals Ideen für die eigene Situation.

Lesetipp: Hausnotruf für Senioren: Schnelle Hilfe im Notfall.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Situation und die damit verknüpften Belastungen, Sorgen und Ängste in eine Depression führen können. Wer hier rechtzeitig reagiert und sich psychotherapeutische Unterstützung holt, kann einer Depression oder Angststörungen entgegensteuern. Wenden Sie sich im ersten Schritt an Ihren Hausarzt und schildern Sie die Situation. Dieser kann Sie anschließend an entsprechende Ärzte oder einen Psychologen weiterleiten.
— Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V.

Was tun, wenn Angehörige die Pflege nicht mehr schaffen?

Viele pflegende Angehörige empfinden ein starkes Verantwortungsgefühl und möchten aus Liebe für den pflegebedürftigen Menschen da sein. Auch wenn sie bereits im Vorfeld spüren, dass die Pflegesituation zu viel für sie werden könnte, etwa weil sie selbst Familie haben und berufstätig sind, gestehen sie sich dies oftmals nicht ein. Ein ehrliches „Nein“ trauen sich viele auch dann noch nicht zu sagen, wenn der Pflegealltag tatsächlich nicht mehr zu stemmen ist. So entsteht Frust, das Streitpotenzial steigt, man wird ungeduldiger und fühlt sich zunehmend überfordert. Doch sind pflegende Angehörige überlastet, leiden beide Seiten: die pflegebedürftige Person ebenso wie die betreuende Person.

Lassen sich in der Pflegesituation keine ausreichenden Entlastungen für die pflegenden Angehörigen schaffen und spüren diese, dass sie an ihre Grenzen kommen, sollten sie dies offen kommunizieren. Ein:e Sozialarbeiter:in kann bei Bedarf die Kommunikation zwischen den Beteiligten begleiten, moderieren und helfen, Lösungen zu finden. Der:die Sozialarbeiter:in kann letztlich auch bei der Umsetzung unterstützen, etwa bei Antragsstellungen helfen und so weiter.

Ein Weg, der zuerst eingeschlagen wurde, ist nicht in Stein gemeißelt. Angehörige dürfen sich aus der Pflege zurückziehen – und sollen es sogar, wenn sie merken, dass sie die benötigte Unterstützung nicht mehr leisten können. Das kann etwa der Fall sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen weiter verschlechtert. Dann sollten auch Themen wie Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung berücksichtigt werden.
— Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V.


Jeder braucht einmal eine Pause. Pflegende Angehörige, die allein Urlaub machen möchten, können in dieser Zeit die pflegebedürftige Person professionell betreuen lassen. Für den Zeitraum von bis zu acht Wochen pro Jahr bieten Pflegeeinrichtungen sogenannte Kurzzeitpflegeplätze an. Die Pflegeversicherung unterstützt diesen Aufenthalt mit bis zu 1.774 Euro. Erfragen Sie bei der Pflegekasse weitere Informationen hierzu. Wichtig: In vielen Einrichtungen sind die Wartelisten lang. Planen Sie Ihre Auszeit frühzeitig.
Bei der Verhinderungspflege wird die zu pflegende Person zuhause betreut. In der Zeit des Urlaubs ersetzen Angehörige, Bekannte oder professionelle Pflegekräfte den pflegenden Angehörigen. Die Pflegekasse bezuschusst diese Vertretung bis zu sechs Wochen im Jahr mit einem Betrag von bis zu 1.612 Euro. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson davor bereits sechs Monate im Einsatz war. Erfragen Sie bei der Pflegekasse weitere Informationen hierzu. Wichtig: Auch für die Urlaubs-Pflege im häuslichen Umfeld gilt – planen Sie frühzeitig.
Der Arbeitgeber muss unbezahlten Urlaub nicht gewährleisten. Ist der Urlaub aufgebraucht und benötigt der Angehörige mehr Pflegezeit, hat er die Option, in Pflegezeit zu gehen und für ein halbes Jahr ganz oder teilweise aus dem Beruf auszusteigen. In größeren Unternehmen gibt es die Möglichkeit, Familienpflegezeit zu nehmen und die Arbeitszeit für zwei Jahre auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren.

Quellen:

Interview mit Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V.

caritas.de: „Häufig gestellte Fragen zum Leben im Alter“. Online-Information von des Deutschen Caritasverbands e. V.

caritas.de: „Wenn Angehörige plötzlich Pflege brauchen“. Online-Information des Deutschen Caritasverbands e. V.

caritas.de: „Plötzlich Pflegefall – Fünf Tipps“. Online-Information des Deutschen Caritasverbands e. V.

Verbraucherzentrale NRW: „Pflegefall – was tun? Schritt für Schritt zur guten Pflege“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, 2. Auflage, Februar 2018.

Verbraucherzentrale NRW: „Pflege zuhause. Was Angehörige wissen müssen“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, Auflage, Januar 2022.

verbraucherzentrale.de: „Hilfe bei der Pflege zuhause: Leistungen der Pflegekasse kombinieren“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Kosten im Pflegeheim: Wofür Sie zahlen müssen und wofür die Pflegekasse“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

bundesgesundheitsministerium.de: „Kurzzeitpflege“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflege im Heim“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Alternative Wohnformen“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegedienst und Pflegesachleistungen“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegeleistungen zum Nachschlagen“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Die Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflege zu Hause: Finanzielle Unterstützung und Leistungen für die ambulante Pflege“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Ratgeber Pflege. Alles, was Sie zum Thema Pflege wissen sollten“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Ratgeber Demenz. Informationen für die häusliche Pflege von Menschen mit Demenz“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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