Pflegende Angehörige: Alltag und Pflege unter einen Hut bekommen
Plötzlich Pflegefall in der Familie: Das müssen pflegende Angehörige klären
Braucht ein Familienmitglied Pflege, etwa der Vater oder die Mutter, ist die Familie meist zuerst ratlos und überfordert. Besonders herausfordernd ist es, wenn sich die Pflegebedürftigkeit plötzlich und unerwartet einstellt. In dieser Situation sollten sich Angehörige immer zuerst fachkundige Hilfe holen, um einen Überblick über die anstehenden Aufgaben und Unterstützungsangebote zu erhalten.
Häufige Fragen von pflegenden Angehörigen
Die drängendsten Fragen von pflegenden Angehörigen bei einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit sind meist:
- Welche Pflege benötigt der:die Pflegebedürftige?
- Kann die pflegebedürftige Person zuhause versorgt werden oder muss die Versorgung in einem Alten- oder Pflegeheim erfolgen?
- Was sind die nächsten Schritte, um Unterstützung für die Strukturierung der Pflege zu erhalten?
- Welche Formulare müssen ausgefüllt werden und wie bekommen wir finanzielle Unterstützung?
- Worum müssen wir uns rechtlich kümmern?
Wichtig zu wissen: Ist zum derzeitigen Zeitpunkt keine Versorgung zuhause möglich, etwa weil Hilfsmittel wie ein Pflegebett organisiert werden müssen, und braucht der Pflegebedürftige eine Übergangsbetreuung, halten Seniorenheime Notfall-Plätze vor. Die sogenannte Kurzzeitpflege kann bis zu acht Wochen im Jahr genutzt werden und wird von der Pflegekasse mit bis zu 1.774 Euro bezuschusst.
Konfliktpotenzial: Wer übernimmt die Pflege?
Die Frage, wie die Pflege gestaltet sein soll, birgt nicht selten ein hohes Konfliktpotenzial. Während eine geringe Pflegebedürftigkeit innerfamiliär oft gut zuhause organisiert und gewährleistet werden kann, werden die Versorgung und die Organisation in höheren Pflegegraden zunehmend schwieriger. Angehörige fürchten oft, die Pflege zuhause aus verschiedenen Gründen nicht stemmen zu können. Die pflegebedürftige Person hingegen möchte häufig nicht „ins Heim abgeschoben werden“. Auch kommt es immer wieder vor, dass Pflegebedürftige keine fremden Personen in ihrer Wohnung haben möchten und sich auch nicht von Fremden waschen oder anderweitig versorgen lassen wollen. Kommt die Familie allein nicht zu einer gemeinsamen Lösung, kann möglicherweise ein:e Sozialarbeiter:in die Kommunikation zwischen den Beteiligten begleiten und helfen, Lösungen zu finden. Hilfe bieten Pflegestützunkte, Seniorenbüros sowie Betreuungsstellen an.
Hinweis: Pflegende Angehörige können Pflegegeld bekommen. Die Höhe des Pflegegelds ist nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt und wird ab Pflegegrad 2 geleistet: Pflegegrad 2 316 Euro im Monat, Pflegegrad 3 545 Euro im Monat, Pflegegrad 4 728 Euro im Monat, Pflegegrad 5 901 Euro im Monat. Das Pflegegeld wird der pflegebedürftigen Person von der Pflegekasse überwiesen. Diese kann über die Verwendung des Pflegegeldes frei verfügen und gibt das Pflegegeld in der Regel an die sie versorgenden und betreuenden Personen als Anerkennung weiter.
Wo pflegende Angehörige Hilfe und Unterstützung finden
Wenn die Angehörigen die Pflege übernehmen möchten, müssen die Kapazitäten realistisch eingeschätzt werden. Nicht selten unterschätzen Angehörige die Pflege. Um die Bedarfe des Pflegebedürftigen und die Aufgaben der Angehörigen und Unterstützungsmöglichkeiten im Falle einer häuslichen Pflege einschätzen zu können, sind ebenfalls Ärzte, die Pflegekasse, Seniorenberatungsstellen, Pflegestützpunkte und Seniorenbüros Kontaktmöglichkeiten.
Lesetipp: 24-Stunden Betreuung: Versorgung rund um die Uhr.
Wie können pflegende Angehörige entlastet werden?
Folgende Fragen können helfen, Entlastungsangebote kennenzulernen, die man bislang noch nicht ausprobiert hat:
- Welche Hilfen und (finanziellen) Leistungen bekommen wir von außen und können wir die aktuelle Unterstützung möglicherweise noch aufstocken?
- Wäre ein Kompromiss denkbar: etwa eine Tages- oder Nachtpflege?
- Welche Möglichkeiten habe ich als pflegender Angehöriger, Auszeiten zu schaffen? Etwa Urlaub? Wer übernimmt dann die Pflege?
- Welche Unterstützung steht mir von Seiten des Arbeitgebers zu?
- Können wir uns weitere Hilfsmittel zulegen, welche die Pflegesituation zusätzlich verbessern können?
- Haben wir schon über ein Hausnotruf-System, einen Mahlzeiten-Dienst und eine Putzkraft nachgedacht?
- Ließen sich zusätzliche Betreuungsangebote, Besuchsdienste und Hilfsdienste organisieren, etwa Hilfe beim Einkaufen, zur Begleitung bei Arztterminen oder für die Freizeitgestaltung (Spaziergänge, Lesen, Basteln, Musizieren)?
- Welche Anlaufstellen habe ich, um mich auszutauschen und mir Sorgen von der Seele zu reden? Gibt es in meiner Nähe beispielsweise Austauschgruppen, etwa Angebote für Angehörige von Menschen mit Demenz? Die Erfahrungen anderer geben oftmals Ideen für die eigene Situation.
Lesetipp: Hausnotruf für Senioren: Schnelle Hilfe im Notfall.
Was tun, wenn Angehörige die Pflege nicht mehr schaffen?
Viele pflegende Angehörige empfinden ein starkes Verantwortungsgefühl und möchten aus Liebe für den pflegebedürftigen Menschen da sein. Auch wenn sie bereits im Vorfeld spüren, dass die Pflegesituation zu viel für sie werden könnte, etwa weil sie selbst Familie haben und berufstätig sind, gestehen sie sich dies oftmals nicht ein. Ein ehrliches „Nein“ trauen sich viele auch dann noch nicht zu sagen, wenn der Pflegealltag tatsächlich nicht mehr zu stemmen ist. So entsteht Frust, das Streitpotenzial steigt, man wird ungeduldiger und fühlt sich zunehmend überfordert. Doch sind pflegende Angehörige überlastet, leiden beide Seiten: die pflegebedürftige Person ebenso wie die betreuende Person.
Lassen sich in der Pflegesituation keine ausreichenden Entlastungen für die pflegenden Angehörigen schaffen und spüren diese, dass sie an ihre Grenzen kommen, sollten sie dies offen kommunizieren. Ein:e Sozialarbeiter:in kann bei Bedarf die Kommunikation zwischen den Beteiligten begleiten, moderieren und helfen, Lösungen zu finden. Der:die Sozialarbeiter:in kann letztlich auch bei der Umsetzung unterstützen, etwa bei Antragsstellungen helfen und so weiter.
Quellen:
Interview mit Christoph Lehmann, Sozialarbeiter und Seniorenberater des Caritasverbands für die Stadt Köln e.V.
caritas.de: „Häufig gestellte Fragen zum Leben im Alter“. Online-Information von des Deutschen Caritasverbands e. V.
caritas.de: „Wenn Angehörige plötzlich Pflege brauchen“. Online-Information des Deutschen Caritasverbands e. V.
caritas.de: „Plötzlich Pflegefall – Fünf Tipps“. Online-Information des Deutschen Caritasverbands e. V.
Verbraucherzentrale NRW: „Pflegefall – was tun? Schritt für Schritt zur guten Pflege“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, 2. Auflage, Februar 2018.
Verbraucherzentrale NRW: „Pflege zuhause. Was Angehörige wissen müssen“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, Auflage, Januar 2022.
verbraucherzentrale.de: „Hilfe bei der Pflege zuhause: Leistungen der Pflegekasse kombinieren“. Online-Information der Verbraucherzentrale.
verbraucherzentrale.de: „Kosten im Pflegeheim: Wofür Sie zahlen müssen und wofür die Pflegekasse“. Online-Information der Verbraucherzentrale.
bundesgesundheitsministerium.de: „Kurzzeitpflege“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Pflege im Heim“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Alternative Wohnformen“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegedienst und Pflegesachleistungen“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegeleistungen zum Nachschlagen“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Die Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Pflege zu Hause: Finanzielle Unterstützung und Leistungen für die ambulante Pflege“. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Ratgeber Pflege. Alles, was Sie zum Thema Pflege wissen sollten“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.
bundesgesundheitsministerium.de: „Ratgeber Demenz. Informationen für die häusliche Pflege von Menschen mit Demenz“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.