Ratgeber: Pflege im Alter. Herausforderungen für Pflegebedürftige und Angehörige
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Ratgeber: Pflege im Alter. Herausforderungen für Pflegebedürftige und Angehörige

Ist ein Mensch pflegebedürftig und kann sich nicht mehr selbst versorgen, etwa aufgrund eines hohen Alters oder infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung, ist das für den:die Betroffene:n und seine Angehörigen eine große Herausforderung. Plötzliche Pflegebedürftigkeit ist oft mit Hilflosigkeit, Ängsten und Überforderung verbunden. Der Ratgeber „Pflege im Alter“ von Gelbe Seiten möchte Betroffenen und pflegenden Angehörigen einen Überblick über Pflegeleistungen und Unterstützungsmöglichkeiten geben – für die Pflege zuhause und für die Versorgung in einer Pflegeeinrichtung.

Wann ist ein Mensch pflegebedürftig?

Es kann in jedem Alter passieren, dass ein Mensch pflegebedürftig wird. Meist wird Pflege im Alter notwendig, doch auch in jungen Jahren kann beispielsweise ein Unfall oder eine schwere Krankheit in die Pflegebedürftigkeit führen. Laut Gesetz liegt eine Pflegebedürftigkeit bei Personen vor, die „gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeit aufweisen und deshalb Hilfe durch andere bedürfen“, so das Bundesgesundheitsministerium. Das umfasst körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen, die von den Betroffenen nicht selbstständig ausgeglichen oder bewältigt werden können.

Lesetipp: Schlaganfall-Folgen: Warum sie so unterschiedlich sind.

Pflege im Alter: erste organisatorische Schritte

Pflege im Alter kann aufgrund einer langsam nachlassenden Selbständigkeit des alternden Menschen eintreten oder ganz unerwartet und plötzlich erfolgen, etwa nach einem Schlaganfall oder einem schweren Sturz. Stellt sich die Pflegebedürftigkeit nach und nach ein, können sich alle Beteiligten auf die kommenden Veränderungen vorbereiten. Bei einer plötzlich einsetzenden Pflegebedürftigkeit sind der:die Betroffene und seine Angehörigen unvorbereitet – was häufig Gefühle der Überforderung mit sich bringt. So vieles muss rasch organisiert werden. Eine professionelle Unterstützung hilft bei der Entscheidungsfindung und berät unter anderem auch zu Anträgen bei der Pflegekasse sowie Leistungen aus der Pflegeversicherung und beantwortet Fragen zu ambulanten Pflegediensten oder Pflegeheimen. Hilfreich ist der Austausch mit:

  • dem behandelnden Arzt oder der Ärztin (Hausärzt:innen oder Fachärzt:innen)
  • dem Sozialdienst des Krankenhauses (bei Krankenhausaufenthalt)
  • der Pflegeversicherung/Pflegekasse (ist an die Krankenkasse angegliedert) der zu pflegenden Person
  • der Rentenversicherung der zu pflegenden Person (möglicherweise muss ein Rentenantrag gestellt werden)
  • Pflegestützpunkten (Helfen beim Ausfüllen von Anträgen und  bei verschiedenen Fragestellungen)
  • Seniorenbüros
  • Beratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden

Gibt es eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung?

Eine wichtige Frage bei einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit ist: Gibt es eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung? In einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung kann man einen Menschen bestimmen, der stellvertretend Entscheidungen treffen darf, wenn man es selbst nicht mehr kann. Es ist daher ratsam, sich frühzeitig mit einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung auseinanderzusetzen, damit im Bedarfsfall das Dokument zur Verfügung steht. Gibt es weder eine Vorsorgevollmacht noch eine Betreuungsverfügung, kann das Amtsgericht eine rechtliche Betreuung anordnen.

Das Bundesministerium der Justiz bietet Informationen und Formulare zur Vorsorgevollmacht sowie zum Betreuungsrecht.

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Wo Angehörige Pflegeleistungen beantragen können

Um die Leistungen der Pflegeversicherung nutzen zu können, muss der:die Betroffene oder ein:e Angehörige:r (sofern eine Bevollmächtigung vorliegt) einen Antrag bei der Pflegekasse einreichen. Das kann im ersten Schritt sogar telefonisch erfolgen. Die Pflegekasse beauftragt anschließend den medizinischen Dienst (MD) mit der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Abhängig davon, wie der MD die Pflegebedürftigkeit einschätzt, wird der Betroffene in einen Pflegegrad eingestuft – oder der Antrag wird abgelehnt. Um Leistungen der Pflegekasse erhalten zu können, muss die Hilfsbedürftigkeit voraussichtlich mindestens sechs Monate bestehen und eine Einstufung in einen Grad der Pflegebedürftigkeit erfolgt sein. Dann stehen dem Betroffenen abhängig vom Pflegegrad verschiedene Leistungen zu.

Wichtig zu wissen: Gegen die Einstufung des MD können Sie Widerspruch einlegen, wenn diese als nicht angemessen erscheint. Falls der Widerspruch nicht das gewünschte Ergebnis bringt, können Sie vor dem Sozialgericht klagen. Dort gibt es meistens keine Gerichtsgebühren. Informieren Sie sich über mögliche Kosten einer Klage.

Tipp: Im Rahmen der Antragstellung auf Pflegebedürftigkeit können Sie bei der Pflegekasse eine Vergleichsliste über Leistungen und Preise der zugelassenen Pflegeeinrichtungen sowie über die nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag anfordern. So können Sie sich einen Überblick verschaffen. Nutzen Sie zudem das Angebot eines Termins zur Pflegeberatung der Pflegekasse innerhalb von zwei Wochen nach Antragsstellung. Die Pflegekasse benennt eine:n Pflegeberater:in, die:der für Sie zuständig ist und offene Fragen beantwortet.

Was sind Pflegegrade?

Abhängig von der Schwere der Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten erfolgt die Einstufung in einen von fünf Pflegegraden. Bei einer geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten wird der zu Pflegende in Pflegegrad 1 eingestuft. Bei einer sehr schweren Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen, erfolgt eine Einstufung in Pflegegrad 5.

Pflegegrad 1 bis 5: Welche Leistungen gibt es?

Die untenstehende Tabelle zu den Pflegegraden und ihren Leistungen ist aus dem Flyer „Pflegebedürftig. Was nun?“ des Bundesministeriums für Gesundheit (Stand: Januar 2023) entnommen:

Pflegegrade Geldleistung ambulant Sachleistung ambulant Entlastungsbetrag ambulant (zweckgebunden) Leistungsbetrag vollstationär
1     125 Euro 125 Euro
2 316 Euro 724 Euro 125 Euro 770 Euro
3 545 Euro  1.363 Euro 125 Euro 1.262 Euro
4 728 Euro 1.693 Euro 125 Euro 1.775 Euro
5 901 Euro 2.095 Euro 125 Euro 2.005 Euro

Lesetipp: Pflegegrad beantragen: Wann welche Leistungen aus der Pflegeversicherung möglich sind

Wie kann Pflege im Alter gestaltet sein?

Pflege im Alter kann ganz unterschiedlich aussehen. Abhängig ist die Pflege im Alter von der Pflegesituation: dem gesundheitlichen Zustand und der Hilfebedürftigkeit des zu Pflegenden, seinen Wünschen und Bedarfen sowie den Kapazitäten der Angehörigen. So kann die häusliche Pflege alleine im familiären Rahmen erfolgen oder durch häusliche Pflegedienste (medizinische Pflege) ergänzt oder durch diese ganz übernommen werden. Ab Pflegegrad 1 erhalten Pflegebedürftige finanzielle Unterstützungen für haushaltsnahe Dienstleistungen (Einkäufe, Wäsche waschen, Putzen, Kochen, Begleitung zum Arzt usw.). Möglich ist auch eine „Teilzeitbetreuung“ in Pflegeeinrichtungen (teilstationäre Pflege), eine Kurzzeitpflege und Übergangspflege sowie eine Vollzeitbetreuung in einer Pflegeeinrichtung (vollstationäre Pflege). Auch ein Aufenthalt in ambulant betreuten Wohngruppen, beispielsweise in sogenannten Demenz-WGs, ist eine mögliche Form der Gestaltung von Pflege im Alter. Auch ist es möglich, ausländische Betreuungskräfte zur Unterstützung hinzuzuholen, welche die zu pflegende Person betreut.

Das Pflegetelefon

Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums (Telefonnummer: 030 20 17 91 31, montags bis donnerstags von 9 Uhr bis 18 Uhr) bietet telefonische Beratung rund um das Thema Pflege und richtet sich an Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, Dienstleister im Pflegesektor sowie die Arbeitgeber und das Umfeld von pflegenden Angehörigen.

Welche Form der Pflege ist gewünscht: häusliche Pflege oder Pflegeheim?

Um zu klären, ob die pflegebedürftige Person zuhause durch Angehörige versorgt werden kann, ob ein ambulanter Pflegedienst benötigt wird oder ob die Pflege in einer Pflegeeinrichtung erfolgen soll, ist ein offener Austausch zwischen dem:r Betroffenen und seinen:ihren Familienangehörigen empfehlenswert. Es kann hilfreich sein, sich hierbei von Beratungsstellen begleiten zu lassen, um einen für alle Beteiligten akzeptablen Weg zu finden. Der Verlust der Selbständigkeit ist für die pflegebedürftige Person bereits mit vielen Unsicherheiten verbunden. Der Gedanke, aus dem häuslichen Umfeld gerissen zu werden, verursacht oft zusätzlich Angst. Auch müssen die Angehörigen schauen: „Was können wir leisten?“, „Können wir ausreichend pflegen und umsorgen?“, „Ist die Pflege mit unserem Alltag vereinbar?“. Hier kann eine außenstehende Person oftmals helfen, zwischen den Wünschen des:r Betroffenen und den Angehörigen zu vermitteln. Möglich ist zudem, verschiedene Heime anzusehen, um Ängste und Vorbehalte abbauen zu können. Ebenso können Kennenlern-Termine mit häuslichen Pflegediensten vereinbart werden, um zu erfahren, wie diese arbeiten und unterstützen können.

Brauchen pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen Rat, können sie sich an einen Pflegestützpunkt in ihrer Nähe wenden. Pflegestützpunkte vereinen die Beratung sowie die Vernetzung aller pflegerischen, medizinischen und sozialen Leistungen. Hier bekommen Hilfesuchende Antworten auf Fragen rund um Pflege und Pflegleistungen. Die Pflegekassen wissen, wo sich der nächste Pflegestützpunkt befindet. Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste in Ihrer Nähe finden Sie über die Suche von Gelbe Seiten.
Wer eine ausländische Haushalts- und Betreuungskraft anstellt, muss mindestens den für Deutschland jeweils gültigen gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Zusätzlich fallen Kosten für Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung sowie Beiträge für die Berufsgenossenschaft an. Angaben der Verbraucherzentrale zufolge muss, wer eine osteuropäische Hilfskraft in Vollzeit beschäftigen möchte, mit Kosten bis zu 3.000 Euro pro Monat rechnen. Und: Dabei handelt es sich nicht um eine 24-Stunden-Pflege. Ausländische Betreuungskräfte haben eine maximale Arbeitsstundenzahl von acht Stunden am Tag sowie Anspruch auf Urlaub. Und: Ausländische Betreuungskräfte sind in der Regel keine ausgebildeten Pflegefachkräfte und dürfen daher keine Behandlungspflege durchführen (Spritzen geben, Wunden versorgen, Verbände wechseln). Hierfür braucht es einen Pflegedienst.
Pflegebedürftige Personen, die in einen Pflegegrad eingestuft sind, haben bei ambulanter Pflege einen Anspruch auf Entlastungsleistungen, wenn sie zu Hause gepflegt werden. Den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich gibt es zusätzlich zu anderen Leistungen der Pflegeversicherung. Der Entlastungsbeitrag kann beispielsweise für haushaltsnahe Dienstleistungen genutzt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Entlastungsbetrag auch für ambulante Pflegeleistungen genutzt werden. Ein gesonderter Antrag muss nicht gestellt werden. Wichtig aber ist: Die Entlastungsleistungen erfolgen nach dem Kostenerstattungsprinzip. Das heißt: Der Pflegebedürftige zahlt die Rechnung zuerst aus eigener Tasche, reicht die Rechnungen für die Leistungen bei der Pflegekasse ein und bekommt den Entlastungsbetrag zurückerstattet.

Quellen:

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegebedürftig. Was nun?“. Online-Flyer (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegeleistungen zum Nachschlagen“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

bundesgesundheitsministerium.de: „Pflegeberatung“. Online-Broschüre (PDF) des Bundesministeriums für Gesundheit.

caritas.de: „Plötzlich Pflegefall – Fünf Tipps“. Online-Information von Caritas Deutschland.

bmj.de: „Betreuungsrecht“. Online-Information des Bundesministeriums der Justiz.

bmj.de: „Vorsorgevollmacht“. Online-Information des Bundesministeriums der Justiz.

Verbraucherzentrale NRW: „Pflege zuhause. Was Angehörige wissen müssen“. Pflege-Ratgeber von Carina Frey, 2. Auflage, Januar 2022.

verbraucherzentrale.de: „Ausländische Betreuungskräfte – wie geht es legal?“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Pflegegrad abgelehnt? So wehren Sie sich mit Widerspruch und Klage“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Pflegegrad beantragen – so geht´s“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Fristen bei der Pflegekasse: So schnell muss die Versicherung reagieren“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

verbraucherzentrale.de: „Haushaltshilfe: Die Pflege mit haushaltsnahmen Dienstleistungen ergänzen“. Online-Information der Verbraucherzentrale.

bmfsfj.de: „Pflegetelefon und Informationsportal 'Wege zur Pflege'“. Online-Angebot des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

dgb.de: „Mindestlohn 2023: Wann kommt die nächste Erhöhung?“. Online-Information des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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