Pica-Syndrom: Ursachen, Symptome und Behandlung der seltenen Essstörung
Was ist das Pica-Syndrom?
Das Pica-Syndrom ist eine seltene Form von Essstörung. Beim Pica-Syndrom steht die Art der verzehrten Substanzen im Fokus: Betroffene verzehren Stoffe, die keine Lebensmittel sind, etwa Sand, Erde, Papier, Kreide und Ähnliches. Wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mitteilt, ist es sogar möglich, dass Betroffene Exkremente zu sich nehmen. Das Syndrom trete vor allem bei geistig behinderten Kindern auf, komme aber auch bei Erwachsenen vor, beispielsweise im Rahmen psychischer Erkrankungen wie Schizophrenie. Ebenso sind Autismus-Fälle sowie Pica in der Schwangerschaft bekannt geworden. Pica kann Kinder und Erwachsene jeden Alters und Geschlechts betreffen.
Der Unterschied zwischen Pica und „klassischen“ Essstörungen
Durch den Fokus auf nicht-verzehrbare Substanzen unterscheidet sich das Pica-Syndrom von den „klassischen“ Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder der Binge-Eating-Störung, bei denen die Menge verzehrter Lebensmittel im Vordergrund steht. Es handelt sich beim Pica-Syndrom also nicht um eine quantitative, sondern um eine qualitative Essstörung. Betroffene mit Pica sind normalem Essen in der Regel nicht abgeneigt und zeigen ein recht normales Essverhalten, spüren aber auch das starke Verlangen, nicht-organische Stoffe zu essen.
Bei einer Magersucht hingegen liegt der Schwerpunkt der Störung auf der Menge des Essens. Magersucht-Betroffene versuchen, die Kalorienaufnahme so gering wie möglich zu halten und haben ein oft lebensbedrohliches Untergewicht. Bei der Bulimie hingegen durchleben Betroffene unkontrollierbare Essattacken, bei denen sie extreme Mengen Essen verzehren. Nach einer solchen Essattacke fühlen sich Bulimiker:innen körperlich und psychisch so schlecht, dass sie das verzehrte Essen wieder erbrechen. Die Binge-Eating-Störung ähnelt der Bulimie. Auch hier erleben Betroffene extreme Essanfälle, bei denen sie mehrere Tausend Kalorien in kurzer Zeit zu sich nehmen. Allerdings erbrechen sie nicht.
Lesetipp: Ratgeber „Essstörung“ von Gelbe Seiten.
Pica-Symptome: Was Pica-Betroffene essen
Es gibt nicht das EINE Pica-Syndrom. Es ist von Fall zu Fall verschieden, welche Substanzen Pica-Betroffene in welcher Menge und Häufigkeit verzehren. Die bevorzugten Substanzen können unterschiedlich sein. Möglich ist unter anderem der Verzehr von:
- Lehm, Erde (Geophagie)
- Gras
- Sand
- Steine
- Holz (Xylophagie)
- Papier
- Kreide
- Stärke (Amylophagie)
- Seife
- Haaren (Trichophagie)
- Wolle
- Kleidung/ Stoffen
- Farbe
- Gummi
- Plastik
- Metall, etwa Nägel
- Glas
- Eis (Pagophagie)
- Asche, Holzkohle
- Exkrementen (Koprophagie)
Bei Kindern verschwinden die Symptome des Pica-Syndroms nach mehreren Monate oft von allein wieder. Doch das Pica-Syndrom kann auch länger andauern – manchmal sogar lebenslang.
Diagnose Pica: Wie wird das Pica-Syndrom erkannt?
Da die gegessenen Stoffe keine Nährstoffe enthalten und
manchmal auch giftig sind, können Gewichtsabnahme, Mangelernährung, Vergiftungserscheinungen,
aber auch eine Bleivergiftung oder ein parasitärer Befall von Magen und Darm
dazu führen, dass Betroffene eine:n Ärzt:in aufsuchen. Es ist ebenso möglich,
dass das Pica-Syndrom aufgrund eines Darmverschlusses oder anderer
Komplikationen diagnostiziert wird.
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Pica-Syndrom behandeln: Das hilft Betroffenen aus der Essstörung
Da nur wenig über spezifische Behandlungen für diese Störung bekannt ist, schaut der:die behandelnde Therapeut:in im individuellen Fall, welcher Therapieweg als erfolgversprechend erscheint. Maßgeblich sind hierfür Ursache, Alter der betroffenen Person und die individuelle Symptomatik. Die Psychotherapie spielt besonders für die Behandlung des Pica-Syndroms bei Erwachsenen und Jugendlichen eine bedeutsame Rolle. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie lassen sich Techniken erlernen, welche den Betroffenen helfen, unerwünschtes Verhalten – in diesem Fall das Essen nichtorganischer Stoffe – gegen gewünschtes Verhalten zu ersetzen.
Bei Kindern ist es oftmals bereits ausreichend, die bevorzugte Substanz zu entfernen und das Kind sorgfältig zu beaufsichtigen beziehungsweise heilpädagogisch zu betreuen. Besteht ein Nährstoffmangel, kann dieser mit einer angepassten Ernährung und gegebenenfalls Nahrungsergänzungsmitteln behandelt werden. Liegt eine (psychische) Erkrankung zugrunde, muss diese ebenfalls behandelt werden.
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Pica-Syndrom-Ursachen: Woher die Essstörung kommen kann
Die Ursachen des Pica-Syndroms sind nicht abschließend geklärt. Bislang wurde beobachtet, dass Pica häufig bei Kindern mit intellektueller Behinderung, extremer Vernachlässigung, außergewöhnlicher psychischer Belastung sowie im Zusammenhang mit Autismus bei Kindern auftrat. Bei Erwachsenen können möglicherweise Depressionen, Schizophrenie oder Zwangsstörungen Pica-Ursachen sein. Auch eine Mangelernährung, eine Eisenmangelanämie sowie ein Zinkmangel werden als Pica-Ursachen – aber auch als Pica-Folge diskutiert.
Bei Schwangerschaften kann unter Umständen das Risiko ebenfalls erhöht sein. Vermutet wird beispielsweise ein Zusammenhang zwischen Pica und einem Eisenmangel in der Schwangerschaft. Dann ist Pica ein Ausdruck des Körpers, bestimmte Nährstoffe zuzuführen, bei denen ein Mangel besteht. In einem solchen Fall lässt sich durch die Behandlung dieses Mangels mit Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln Pica therapieren. Bei einer Demenz kann aufgrund der nachlassenden Gehirnleistung ebenso das Risiko erhöht sein, das Pica-Syndrom zu entwickeln. Einen Hinweis auf eine erbliche Veranlagung zum Pica-Syndrom gibt es bislang nicht. Die Diagnose Pica-Syndrom stellt ein:e Psychiater:in, Psychotherapeut:in, Kinderärzt:in, Kinderpsycholog:in oder ein:eine Allgemeinmedizinerin.
Pica vorbeugen – geht das?
Das Risiko für die Entwicklung des Pica-Syndroms lässt sich unter anderem durch folgende Faktoren reduzieren:
- eine gute Mutter-Kind-Bindung beziehungsweise eine gute Eltern-Kind-Beziehung
- ein liebevolles und wertschätzendes Familienklima
- Vorbeugung eines Nährstoffmangels durch eine ausgewogene, vollwertige Ernährung
- richtiges und gesundes Essen beibringen
- Kinder geistig anregen und miteinbeziehen durch Spiele, Unterhaltung und so weiter. Für Kinder mit geistigen Behinderungen und Entwicklungsverzögerungen ist gegebenenfalls eine sonderpädagogische Betreuung empfehlenswert.
- Diagnose und Behandlung von Erkrankungen wie Zwangsstörungen oder Schizophrenie
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Quellen: