Was ist Bulimie (Bulimia nervosa)?
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Was ist Bulimie (Bulimia nervosa)?

Was ist Bulimie? Bei Bulimie (Bulimia nervosa, Ess-Brech-Sucht) wechseln sich Essanfälle und Erbrechen ab. Anders als bei der Magersucht sieht man den Betroffenen ihre Essstörung meist nicht an, da sie in der Regel ein normales Gewicht haben. Trotz Normalgewicht hat Bulimie weitreichende Folgen für die Gesundheit.

Bulimie: Keine Kontrolle über den „Ochsenhunger“

Hauptanzeichen der Bulimie (Bulimia nervosa)sind Essanfälle mit Kontrollverlust und anschließendes Erbrechen. Bulimie-Betroffene essen innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Lebensmitteln. Sie können sich während der „Essattacke“ nicht kontrollieren oder die Essenszufuhr stoppen. Der Begriff „Bulimia“ kommt aus dem Griechischen und steht für „Ochsenhunger“. Der Zusatz „nervosa“ beschreibt, dass die Essstörung eine psychische Krankheit ist. Vor allem Frauen sind von der Ess-Brech-Sucht betroffen.

Bulimiker versuchen,

  1. schwierige Lebenssituationen,
  2. mangelndes Selbstwertgefühl,
  3. Schwierigkeiten im Umgang mit Problemen,
  4. negative Gefühle,
  5. Stress sowie Unsicherheiten durch die Flucht ins Essen zu bewältigen. 

Nach der Essattacke kommt das schlechte Gewissen

Nach der Essattacke kommen die Scham und das schlechte Gewissen - und die Angst zuzunehmen. Bulimische Patienten möchten das Essen und die aufgenommenen Kalorien wieder loswerden. Sie erbrechen kurz nach der Nahrungsaufnahme. In ausgeprägten Fällen können sich über den gesamten Tag hinweg Essanfälle und Erbrechen abwechseln.

Bulimie: Ursachen der Essstörung

Zu den auslösenden Faktoren der Ess-Brech-Sucht gehören:

  • emotionale Einflussgrößen
  • psychischer Stress
  • Unzufriedenheit mit der eigenen Person und dem eigenen Körper
  • das Gefühl alleine zu sein oder nicht akzeptiert zu werden

Depressionen und Minderwertigkeitsgefühle gehören ebenfalls zu den Ursachen der Bulimie. In der Vergangenheit lassen sich häufig Episoden der Magersucht (Anorexia nervosa) finden. Selbstverletzendes Verhalten, Alkoholmissbrauch oder der Missbrauch anderer schädlicher Substanzen begleitet die Bulimie oft. 

Generell scheinen Selbstwertprobleme verbunden mit depressiven Stimmungslagen und Probleme in der Regulation von Affekten und Impulsen (oft verbunden mit weiterem selbstschädigendem Verhalten) bei Bulimie einen besonderen Stellenwert einzunehmen.
— Internetauftritt „Neurologen und Psychiater im Netz“ der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz

Zu Beginn wird das Erbrechen als Lösung betrachtet, um ungehemmt schlemmen zu können, ohne zuzunehmen. Im weiteren Verlauf wird es für die Betroffenen zu einer großen Belastung. Mit Fortschreiten der Essstörung zeigen sich:

  • eine übermäßige Bewertung des eigenen Körpergewichts
  • eine extreme gedankliche Fixierung auf Essen
  • eine große Angst vor einer Gewichtszunahme
  • Gefühle des Kontrollverlusts, der Scham und des Versagens
  • sozialer Rückzug
  • Depressionen
  • finanzielle Probleme
  • gesundheitliche Probleme

Was ist Bulimie? Anzeichen der Ess-Brech-Sucht

Das Hauptanzeichen von Bulimie ist ein Essverhalten von Betroffenen, bei welchem innerhalb kürzester Zeit große Mengen hochkalorischer, „verbotener“ und schnell zu essender Nahrung verzehrt werden. Die Heißhungerattacken sind wie ein Rausch: Verschiedene Lebensmittel werden zugleich gegessen, das Essen kaum gekaut, der Geschmack kaum wahrgenommen.

Die Betroffenen haben während der Essattacke keine Kontrolle über ihr Verhalten. Sie essen so lange, bis Übelkeit und Magenschmerzen auftreten, die Nahrungsmittel aufgegessen sind oder sie von außen gestört werden. Bis zu 5.000 Kalorien und mehr werden bei einer solchen Essattacke verzehrt. Teilweise werden die Essattacken gezielt geplant und die Betroffenen kaufen dafür ein. Durch den enormen Verbrauch an Nahrung sind die Kosten entsprechend hoch – was bei vielen Betroffene zu finanziellen Problemen führt.

Abführmittel und Fasten: weitere Anzeichen der Ess-Brech-Sucht

Neben den Essanfällen und dem anschließenden Erbrechen begleiten weitere Verhaltensweisen/Anzeichen die Ess-Brech-Sucht. Dazu gehören:

  • Diäten
  • Meiden hochkalorischer Lebensmittel
  • Fasten
  • ausgelassene Mahlzeiten
  • Missbrauch von Abführmitteln, Entwässerungstabletten, Appetitzüglern und Schilddrüsenhormonen
  • exzessives Sporttraining
  • Unterscheidung zwischen „erlaubten“ und „verbotenen“ Lebensmitteln
  • Unzufriedenheit mit dem in der Regel normalen Körpergewicht
  • Angst vor einer Gewichtszunahme
  • Körperschemastörung

Die Essanfälle werden von den Diäten und Hungerphasen befeuert. Das restriktive Verhalten begünstigt das Verlangen nach „verbotenen“ Lebensmitteln.

Die Bulimia nervosa wird somit im Sinne eines psychosomatischen Teufelskreises aufrechterhalten. Diäten und Fasten führen zu einem körperlichen Mangelzustand, der nicht unbegrenzt ausgehalten werden kann und typischerweise in einen Essanfall mündet. Um zu verhindern, dass die exzessive Energieaufnahme eine Gewichtszunahme verursacht, werden gegensteuernde Maßnahmen ergriffen. Damit werden zugleich die Schuldgefühle und Ängste wegen des verbotenen Essens neutralisiert.
— Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.: Ratgeber Essstörungen. Suchtmedizinische Reihe, Band 3.

Gefährliche Essstörung: Folgen der Bulimie

Zu den körperlichen Folgen der Ess-Brech-Sucht gehören aufgrund des Würgens und Erbrechens vergrßerte Speicheldrüsen. Da Speiseröhre, Zähne und Schleimhäute im Hals- und Rachenraum immer wieder der Magensäure ausgesetzt sind, können dort erhebliche Schäden auftreten.

Bedingt durch einen Missbrauch von Abführmitteln können Reflux, Entzündungen der Bauspeicheldrüse und Verstopfung die Folge sein.

Der Missbrauch von harntreibenden Medikamenten und das häufige Erbrechen bringen den Elektrolythaushalt im Körper durcheinander. Ein Kaliummangel zum Beispiel kann lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Aufgrund von Störungen in der Mineralstoffversorgung steigt zudem das Risiko für Knochenschwund (Osteoporose) und Muskelkrämpfe.

Schlaflosigkeit und Konzentrationsschwäche gehören ebenso zu den Folgen der Bulimie wie Kreislaufbeschwerden, Verstopfung und Müdigkeit. Patienten mit einer Bulimie haben zudem ein größeres Risiko, an Selbstmord zu sterben, als die Normalbevölkerung – besonders dann, wenn Depressionen vorliegen.

Bulimie behandeln: Therapie der Essstörung

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bulimie-Behandlung sind der Wille und die Motivation des Patienten, die Essstörung „aufzugeben“. In den meisten Fällen erfolgt die Therapie der Ess-Brech-Sucht ambulant, also ohne Klinikaufenthalt.

Ein stationärer Aufenthalt wird dann notwendig, wenn die Betroffenen selbstschädigende Verhaltensweisen, schwere Persönlichkeitsstörungen oder Suizidgedanken aufweisen. Auch körperliche Erkrankungen, die in Folge der Essstörung entstanden sind, können einen Klinikaufenthalt beziehungsweise eine medizinische Behandlung notwendig machen.

Die Therapiemaßnahmen der Bulimie umfassen unter anderem:

  • Verhaltenstherapie
  • Familientherapie
  • Psychoanalytische Therapie
  • Individuelle Psychotherapie
  • körperliche Rehabilitation
  • Ernährungstherapie

Die verschiedenen Therapieformen finden in Einzel- und Gruppentherapien Anwendung. Sorgeberechtigte und Familienangehörige werden häufig mit einbezogen.

Gerade bei den adoleszenten Essstörungsformen ist es besonders wichtig, die Eltern der Patienten in die Behandlung mit einzubeziehen. Dabei haben sich familienberatende und familientherapeutische Maßnahmen als besonders effektiv erwiesen. Begleitend zur Psychotherapie können Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein beziehungsweise Behandlungserfolge stabilisieren.
— Internetauftritt „Neurologen und Psychiater im Netz“ der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz
Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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