Psychische Krankheiten bei Kindern: Behandlung & Therapie
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Psychische Krankheiten bei Kindern: Behandlung & Therapie

Eine psychische Krankheit stellt für das betroffene Kind eine große Belastung dar und schränkt es in seinem Erleben und seiner Entwicklung ein. Auch Eltern und nahe Bezugspersonen stehen oft vor einer Herausforderung. Sie möchten den Bedürfnissen des Kindes gerecht werden, es unterstützen und ihm helfen – und merken zugleich, dass es nicht einfach ist, die alltäglichen Aufgaben und das Leben drumherum zu organisieren. Behandlung & Therapie bei psychischen Krankheiten bei Kindern: Wie Kindern und Eltern geholfen werden kann – und warum die Verhaltenstherapie so wertvoll ist.

Ursachen psychischer Krankheiten: Warum werden Kinder krank?

Die Ursachen für psychische Erkrankungen bei Kindern sind vielfältig und häufig spielen verschiedene Faktoren zusammen. Zum einen sind Kinder seelisch generell verletzlicher als Erwachsene (Vulnerabilität). Zum anderen wirken genetische Faktoren, mögliche physische Erkrankungen, eine gestörte Hirnfunktion, aber auch das ganz individuelle Temperament sowie die Persönlichkeit des Kindes auf das Erkrankungsrisiko mit ein. Bedeutende Risikofaktoren sind zudem Gewalterfahrungen, eine unsichere Eltern-Kind-Bindung, Missbrauch, Vernachlässigung sowie Streit und Gewalt innerhalb der Familie. Auch frühe Verlusterfahrungen – etwa durch Scheidung oder Tod – sowie psychisch kranke Eltern erhöhen das Risiko für eine psychische Erkrankung beim Kind. Ebenso gehören ein geringer Bildungsgrad, schwierige finanzielle Verhältnisse und eine schwierige Wohnsituation zu den bedeutenden Einflussgrößen für die kindliche Psyche.

Darum werden psychische Krankheiten bei Kindern oft spät therapiert

Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Krankheiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die häufigsten seelischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Angststörungen, Depressionen und Essstörungen. Weitere mögliche Störungen können sein: bipolare Störung, Zwangsstörungen, soziale Verhaltensstörungen, Autismus, Rett-Syndrom, Bindungsstörungen und Tic-Störungen. Erhebungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge zeigen fast 20 Prozent der Kinder psychische Auffälligkeiten, etwa zehn Prozent haben eine psychische Erkrankung. Wenn die Psyche erkrankt, bleibt dies häufig lange unbemerkt. Denn: Viele Symptome spielen sich im Inneren ab, etwa Ängste, Traurigkeit, Unsicherheiten und Sorgen. Ein weiterer Punkt ist, dass Stimmungsschwankungen und Verhaltensänderungen zum natürlichen Entwicklungsprozess eines Kindes gehören. Für Eltern und Bezugspersonen ist es nicht leicht zu unterscheiden: Ist das Verhalten meines Kindes Teil des Entwicklungsprozesses oder ein Hinweis auf eine psychische Krankheit?

Warnzeichen: Wann Eltern aufmerksam werden sollten

Aufmerksam werden sollten Eltern, wenn veränderte Verhaltensweisen und Stimmungen häufig und dauerhaft auftreten und der Verdacht besteht, dass das Kind dadurch in seinem Alltag stark belastet ist. Auch wenn es durch die neuen Wesenszüge zu Problemen in der Kita oder der Schule kommt, sollten Eltern dem nachgehen. Manchmal sprechen ErzieherInnen oder LehrerInnen die Eltern an. Oft spüren Eltern auch ohne auffällige Symptome intuitiv, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt – und sind zunehmend besorgt. Rat und Hilfe bieten kinder- und jugendärztliche Praxen an. Bei Bedarf kann der Kinderarzt oder die Kinderärztin an Fachärzte zur weiteren Untersuchung überweisen. FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie können eine psychische Störung beziehungsweise Erkrankung diagnostizieren – und auch eine Therapie in die Wege leiten. Je früher eine psychische Erkrankung beim Kind diagnostiziert und behandelt wird, desto besser kann man es in seiner Entwicklung unterstützen.

Symptome, die auf eine psychische Krankheit beim Kind hindeuten

Zu den möglichen Auffälligkeiten, die auf eine belastete Psyche beim Kind hindeuten können, gehören beispielsweise:

  • häufige intensive Stimmungsschwankungen
  • anhaltende Aggressivität und Wutanfälle
  • starke Unruhe
  • innere Getriebenheit
  • ausgeprägte Angstgefühle
  • langanhaltende Traurigkeit und Freudlosigkeit
  • zunehmender sozialer Rückzug
  • Emotionslosigkeit/Leere/Apathie
  • Antriebslosigkeit
  • neu oder stärker auftretende Konzentrationsprobleme
  • psychosomatische Symptome, beispielsweise Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden
  • Einnässen nach dauerhafter Trockenphase
  • anhaltende Veränderung der Essgewohnheiten
  • starke Gewichtsabnahme oder Zunahme

Diagnose psychische Erkrankung: Der erste Schritt zur Therapie

Stellt der:die FachärztIn für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie eine psychische Erkrankung fest, wird dieser:diese im ersten Schritt die Diagnose stellen und das Krankheitsbild mit den Eltern besprechen. Anschließend wird beraten, welche Therapiemöglichkeiten dem Kind oder Jugendlichen im individuellen Fall zur Verfügung stehen. Ist das Kinder alt genug, wird es in Therapieentscheidungen einbezogen. Auch bekommen Eltern Rat, wie sie die Situation unterstützen und das Kind stabilisieren können. Ratsam ist zudem, mit ErzieherInnen und Lehrpersonen in Kontakt zu treten und offen die Erkrankung zu kommunizieren. Ebenso können Eltern nach Hilfsangeboten außerhalb des Therapierahmens suchen, etwa nach Beratungsstellen, Familienzentren, Familienberatungsstellen, sozialpädiatrischen Zentren und Selbsthilfegruppen.

Behandlung von psychischen Krankheiten: Psychotherapie ist tragende Säule

Die Therapie setzt sich den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland zufolge aus verschiedenen Bausteinen zusammen (multimodal) und integriert:

  • psychotherapeutische,
  • (heil-)pädagogische,
  • spezialtherapeutische (Ergotherapie, Bewegungstherapie, Logopädie, Musiktherapie, Kunsttherapie, usw.)
  • und pharmakologische Behandlungsmethoden.

Eine tragende Rolle kommt hierbei der Psychotherapie zu. Die Psychotherapie hat das Ziel, innerhalb eines bewussten Prozesses Verhaltensstörungen und emotionales Leiden mit Hilfe psychologischer Methoden zu behandeln und damit das Krankheitsbild zu verbessern oder zu heilen. Der:die PatientIn bekommt im Rahmen der Psychotherapie (häufig kognitive Verhaltenstherapie) Methoden und Techniken beigebracht, die ihm wie Werkzeuge dabei helfen, seine Situation zu verstehen und aktiv positiv zu beeinflussen. Hierbei wird nicht nur das Störungsbild berücksichtigt, sondern auch der Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen. Häufig werden spielerisch-gestalterische Methoden angewandt. Häufig reicht eine Therapiesitzung in der Woche aus, manchmal finden die Sitzungen öfter statt. Möglich ist auch, mit zwei Sitzungen in der Woche zu starten und die Häufigkeit mit zunehmendem Therapieerfolg zu reduzieren.

In der Therapie werden die Bezugssysteme Familie, Kindergarten, Schule oder Ausbildung berücksichtigt. Dies ist ein wichtiger Aspekt: „Verhaltensprobleme oder psychische Symptome manifestieren sich meist im sozialen Umfeld, durch die Einbeziehung des Umfeldes werden Verhaltensänderungen oder Entwicklungsfortschritte ermöglicht“, erklären die Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. „Dies ist besonders bei jüngeren Kindern entscheidend, da Kinder in materieller, rechtlicher und psychologischer Hinsicht von Bezugspersonen abhängig sind."

Medikamentöse Behandlung bei psychischen Krankheiten: wann notwendig?

In besonders ausgeprägten Fällen oder wenn eine rasche Stabilisierung gewünscht ist, stellen Medikamente eine Therapie-Option bei psychischen Krankheiten beim Kind oder Jugendlichen dar. Bei Angststörungen, Depressionen und ADHS beispielsweise können das beruhigende Medikamente, Antiaggressiva oder Psychopharmaka sein. Eine medikamentöse Therapie sollte immer eine Psychotherapie ergänzen und nie als alleinige Behandlungsmaßnahme genutzt werden. Ebenso ist empfohlen, die Medikamente unter Absprache mit dem:der behandelnden Kinder- und JugendpsychiaterIn nur so lange zu verabreichen, wie es im Rahmen der Therapie notwendig ist. Die Art des Medikaments, Dosierung, Risiko und Nutzen sowie die voraussichtliche Dauer der Einnahme besprechen die behandelnden Experten gemeinsam mit den Eltern und dem Kind oder Jugendlichen. In vielen Fällen können Psychopharmaka die Behandlung von psychischen Krankheiten bei Kindern gut unterstützen und helfen oftmals, einem schweren Krankheitsverlauf vorzubeugen.

Vor- und Nachteile der medikamentösen Therapie

Die Gabe von Medikamenten bei psychischen Erkrankungen sollte gut abgewogen sowie Risiko und Nutzen in die Waagschale geworfen werden. Besonders bei leichten Verläufen hat sich die Verhaltenstherapie in vielen Fällen als ebenso wirksam erwiesen wie die Einnahme von Psychopharmaka. Das heißt: Nicht immer sind Medikamente notwendig. Bei einer Einnahme sind immer auch Nebenwirkungen möglich. Diese sind abhängig von den verschriebenen Präparaten und können das Kind beispielsweise durch Müdigkeit, Übelkeit, Schlafstörungen und Nervosität einschränken. Besonders zu Beginn der Behandlung werden solche Nebenwirkungen häufig beschrieben – lassen aber im weiteren Behandlungsverlauf oft nach. Auf der anderen Seite können Medikamente in ausgeprägteren Fällen eine gute Unterstützung der Psychotherapie darstellen und ihren Erfolg möglicherweise sogar verbessern. Bevor Eltern sich für oder gegen die Gabe von Psychopharmaka bei ihrem Kind entscheiden, sollten sie mit den behandelnden ÄrztInnen in Kontakt gehen und offene Fragen klären.

Unterstützungsnetzwerke und Ressourcen für Kinder und ihre Familien

Erste Hilfe finden das betroffene Kind und seine Eltern in einer kinder- und jugendärztlichen Praxis. Im Bedarfsfall überweist der:die KinderärztIn an eine:n Fachärzt:in für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Dort, aber auch über die kinderärztliche Praxis sowie über die Krankenkasse können Eltern weitere Hilfs- und Betreuungsangebote sowie Therapieeinrichtungen erfragen. Oftmals gibt es Beratungsstellen, sozialpädiatrische Zentren, Familienzentren, Familienberatungsstellen und Selbsthilfegruppen in der Nähe. Online-Angebote und Anlaufstellen bietet beispielsweise die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrer Website. Kinder- und jugendärztliche Praxen in Ihrer Nähe finden Sie über die Suche von Gelbe Seiten.

Hier ein Überblick über mögliche Kontaktmöglichkeiten:


Psychische Störungen bei kleinen Kindern unter vier Jahren sind meist auf Entwicklungsstörungen zurückzuführen. Angststörungen, ADHS, Depressionen und aggressive Verhaltensstörungen sind bei Kindern im Grundschulalter häufig. Bei Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren sind Depressionen, Suchterkrankungen und Essstörungen vorherrschend.
Aggressive Verhaltensstörungen, Suchterkrankungen sowie ADHS sind bei Jungen häufiger anzutreffen als bei Mädchen. An ADHS beispielsweise sind viermal mehr Jungen erkrankt als Mädchen. Mädchen wiederum sind öfter von Essstörungen, Depressionen und psychosomatischen Krankheitsbildern betroffen als Jungen.
Es ist nicht leicht, ein Verhalten in „natürlicher Entwicklungsprozess“ oder „psychische Störung“ einzuordnen. Sogar Fachärzte benötigen für die Diagnose psychischer Erkrankungen spezielle psychologische Tests und körperliche Untersuchungen. Mögliche Hinweise auf ein Problemverhalten ist eine plötzliche und andauernde Verhaltensänderung beim Kind, die den Eltern Sorge bereitet, den Alltag des Kindes beeinträchtigt und der Eindruck besteht, dass diese das Kind in seinem Alltag belastet. Ein paar Beispiele: Das Kind zieht sich plötzlich total zurück, wirkt traurig und hat keine Freude mehr an seinen Lieblingsbeschäftigungen. Oder das Kind hat plötzlich mit häufigen Wutanfällen zu kämpfen. Es verhält sich grundlos aggressiv gegenüber anderen Kindern und Bezugspersonen und die Eltern haben das Gefühl, dass das Kind seine Emotionen nicht angemessen regulieren kann.

Quellen:

achtung-kinderseele.de: „Thema: Psychische Erkrankungen“. Online-Information der Stiftung Achtung!Kinderseele.

rki.de: „Journal of Health Monitoring. Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittsergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends“. Online-Information (PDF) des Robert Koch-Instituts (RKI).

rki.de: „Journal of Health Monitoring. Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen – Ergebnisse der KiGGS-Kohorte“. Online-Information (PDF) des Robert Koch-Instituts (RKI).

bzga.de: „Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen“. Online-Publikation (PDF) der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

kindergesundheit.info: „Psychische Probleme und Verhaltensprobleme bei Kindern“. Online-Information der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

kindergesundheit.info: „Wegweiser bei Problemen in der kindlichen Entwicklung und in der Familie“. Online-Information der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

neurologen-und-psychiater-im-netz.org: „Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie: Störungen und Erkrankungen“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

neurologen-und-psychiater-im-netz.org: „Warnzeichen für psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

neurologen-und-psychiater-im-netz.org: „Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen: Verfahren im Einzelnen“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

neurologen-und-psychiater-im-netz.org „Risikofaktoren für psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

neurologen-und-psychiater-im-netz.org: „Persönlichkeitsstörungen - Krankheitsbilder“. Online-Information der Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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