Messie-Syndrom: Ursachen und Behandlung der krankhaften Unordnung
Was ist das Messie-Syndrom?
Der Begriff "Messie-Syndrom" leitet sich aus dem englischen Wort "mess" für Unordnung und Chaos ab. Ursprünglich prägte die US-Amerikanerin Sandra Felton den Ausdruck – die Sonderschulpädagogin war selbst betroffen und gründete in den 1980er Jahren eine Selbsthilfegruppe namens "Messies Anonymous". Heutzutage wird im englischen Sprachraum allerdings "compulsive hoarding" (zwanghaftes Horten) als Begriff für das Messie-Syndrom verwendet. Bislang ist die Störung nur im amerikanischen Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen (DSM-5) als eigenständige Erkrankung anerkannt. In der deutschen Sprache hat sich der Begriff des Messies zwar etabliert, ist aber Umgangssprache und nicht ganz korrekt. In der Psychologie ist eher von Desorganisationsproblematik und einer psychischen Wertorganisationsstörung die Rede.
Betroffene haben Schwierigkeiten damit, den Nutzen und Wert von Gegenständen einzuschätzen – für sie ist alles gleichermaßen wichtig, brauchbar und wertvoll. Dies kann sich auch im gesamten Denken widerspiegeln, sodass es ihnen schwerfällt, generell zwischen "wichtig" und "unwichtig" zu unterscheiden, ihre Zeit sinnvoll einzuteilen, Prioritäten zu setzen und sich und ihr Leben zu organisieren. So erstreckt sich die Unordnung nicht nur auf die eigene Wohnung, sondern auch auf das Innenleben. Es ist aber eine Fehlannahme, dass Messies auch außerhalb ihrer Wohnung verwahrlost erscheinen. Solche Betroffenen gibt es zwar auch, aber sie sind sehr selten.
Nach außen hin versuchen die meisten Menschen mit Messie-Syndrom, sich nichts anmerken zu lassen, weil sie sich für ihre unordentliche Wohnung schämen. Sie treten im Job oder in ihrer Freizeit außerhalb meist besonders perfektionistisch auf, wollen mehrere Aufgaben auf einmal erledigen, wirken mitunter außerordentlich kreativ, lebendig und engagiert. Es stimmt ebenfalls nicht, dass alle Messies Müll und Essensreste horten – auch diese Betroffenen machen nur einen kleinen Prozentsatz aus. Manche Messies sammeln alles Mögliche, andere horten bestimmte Gegenstände, etwa Zeitschriften, Papiere, Kleidung oder Ersatzteile.
Messie-Syndrom: Ursachen möglicherweise Bindungsstörungen
Welche Ursachen das Messie-Syndrom hat, ist noch nicht zweifelsfrei erforscht. Es scheinen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle zu spielen und in eine Desorganisationsproblematik und psychische Wertorganisationsstörung zu münden. Zudem können die Ursachen und ihre Gewichtung von Betroffenem zu Betroffenem variieren, was die eindeutige Bestimmung der Gründe weiter erschwert. In den meisten Fällen wird jedoch eine sogenannte Bindungsstörung beobachtet. Messies leiden oft an Trennungsangst und fürchten sich vor Verlusten. Sie haben Schwierigkeiten, mit Menschen stabile, soziale Bindungen einzugehen und aufrechtzuerhalten – die gehorteten Gegenstände ersetzen die Beziehungen zu Menschen und haben für Betroffene daher einen hohen emotionalen Wert.
Grund für Bindungsstörungen ist häufig mangelnde Zuwendung durch die Eltern. Die Kinder haben in den ersten Lebensjahren keine Sicherheit, kein Urvertrauen und Selbstvertrauen durch die Eltern erlebt und haben im Laufe ihres Lebens infolgedessen viele Enttäuschungen auf sozialer Ebene erlitten. Die Gegenstände in ihrer Wohnung können sie nicht enttäuschen und sie nicht verlassen, was auf sie beruhigend wirkt. Allerdings scheint das Messie-Syndrom gehäuft familiär aufzutreten, das heißt, dass Betroffene häufig Kinder oder Enkel von Messies sind. Das kann auf eine bestimmte genetische Veranlagung als Ursache hindeuten, kann jedoch auch Folge dessen sein, dass die Desorganisationsproblematik durch Beobachtung erlernt wurde.
Ursachen für Messie-Syndrom: Bestimmte Persönlichkeitsstruktur?
Ergänzend zur Bindungsstörung kann eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur zu den Ursachen vom Messie-Syndrom gehören. So zeigt sich häufig ein übertriebener Perfektionismus bei den Betroffenen. Gleichzeitig neigen sie zu einem niedrigen Selbstwertgefühl, sind teilweise konfliktscheu und extrem sensibel. Manchmal machen sie sich die Probleme anderer Leute zu eigen, fühlen sich dafür verantwortlich und wollen unbedingt helfen, erweisen sich dabei aber als überfürsorglich. Bei Messies durchmischen sich Merkmale einer zwanghaften Persönlichkeit mit denen einer Sucht.
Traumata als Auslöser für Messie-Syndrom?
Viele Betroffene haben traumatische Erlebnisse hinter sich, die eine möglicherweise durch Gene, Bindungsstörung und Persönlichkeitsstruktur vorhandene Veranlagung zum Ausbruch bringen oder verstärken können. Das können Schicksalsschläge sein wie der Tod einer engen Bezugsperson, sexueller oder emotionaler Missbrauch, Gewalt in der Familie, Vernachlässigung und das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Letzteres kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Mutter an einer postpartalen Depression litt. Auch übertriebene Härte und Strenge in der Erziehung oder das subjektive Empfinden, nicht dazuzugehören, sowie Mobbing in der Schule können zu den Traumata zählen, die mit Ursachen fürs Messie-Syndrom sein können.
Komorbiditäten beim Messie-Syndrom häufig
Das Messie-Syndrom und seine Ursachen lassen sich unter anderem auch schwer erforschen, weil das Syndrom häufig mit anderen psychischen Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen einhergeht. So lässt sich selten feststellen, ob die Desorganisationsproblematik und psychische Wertorganisationsstörung die anderen Krankheiten verursacht hat oder umgekehrt. Verbreitete Komorbiditäten sind Suchterkrankungen, Depressionen, ADHS/ADS, Angstzustände, zwanghafte Persönlichkeitsstörung, Zwangsstörungen, Essstörungen oder Demenz.
Verhaltenstherapie und Psychotherapie gegen Messie-Syndrom
Da die Ursachen fürs Messie-Syndrom so komplex, vielseitig und tief verankert sind, ist eine Therapie der Störung sehr schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass Betroffenen teils die Krankheitseinsicht fehlt. Häufig ist ihre Scham so groß, dass sie sich scheuen ihr Problem einzugestehen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Angehörige sollten jedoch keinen Druck ausüben und keinesfalls selbst das Chaos aufräumen. Für den Betroffenen fühlt es sich so an, als würden sein Leben und seine eigene Persönlichkeit weggeworfen – schlimmstenfalls kann das zu Panikreaktionen bis hin zum Suizid führen.
Wollen sich Betroffene helfen lassen, ist eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie am erfolgversprechendsten. Es genügt nicht, das krankhafte Verhalten zu ändern, auch das seelische Chaos muss behandelt werden. Zusätzlich sind Selbsthilfegruppen als Weg aus der Isolation sinnvoll und Entspannungstechniken, Achtsamkeitstraining sowie Meditation können unterstützend wirken.