Weiberfastnacht: Darf man einfach so die Krawatte abschneiden?
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Weiberfastnacht: Darf man einfach so die Krawatte abschneiden?

Die Damen unter den Jecken schneiden an Weiberfastnacht gerne die Krawatte der Herren ab. Sie entlohnen die Herren im Gegenzug mit einem Bützchen – dem traditionellen Kuss auf die Wange. Doch ist es überhaupt erlaubt, die Krawatte abzuschneiden? Und woher kommt dieser Brauch?

Krawatte abschneiden: Ein Weiberfastnachtsbrauch

Im Rheinland ist die Weiberfastnacht ein inoffizieller Feiertag. Doch auch im Rest von Deutschland ist es an den meisten Arbeitsplätzen ruhig. Die Feiern beginnen traditionell um 11:11 Uhr. An Weiberfastnacht gibt es traditionell keine Umzüge wie an Rosenmontag. Es ist vielmehr so, dass die Narren auf den Straßen und in den Kneipen feiern. Die weiblichen Narren stürmen um 11:11 Uhr das Rathaus und schneiden den Männern die Krawatten ab. Dies ist ein Brauch, der aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stammt. Die Damen schneiden den Herren die Krawatte ab, um sich in den Vordergrund zu rücken. Die Krawatte gilt schließlich schlechthin als das Symbol männlicher Macht. Die „gestutzten“ Männer laufen für den Rest des Tages nun mit einem Krawattenstumpf herum.

Die Krawatte als Symbol der Macht

In früheren Zeiten war die Krawatte ein Symbol für eine gehobene Stellung in Betrieben und Ämtern. Die besser bezahlten Positionen waren damals nahezu ausschließlich Männern vorbehalten. Ursprünglich steht das Abschneiden der Krawatte nicht in Verbindung mit einem Kampf der Geschlechter. Das Abschneiden dient vielmehr dazu, den Rangunterschied zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmer aufzuheben. Die Demonstration gegen die typischen Machtverhältnisse äußert sich auch durch den Sturm auf die Rathäuser. Das Abschneiden der Krawatte stammt wohl ursprünglich aus dem Stadtteil Bonn-Beuel. Dort arbeiteten viele Frauen als Bleicherinnen und Wäscherinnen für die gut betuchten Bürger der Städte Bonn und Köln.

Das „Alte Beueler Damenkomitee“

Die Waschfrauen hatten im Jahr 1824 genug davon, dass ihre Männer Karneval feierten und sie Zuhause bleiben mussten. Deshalb gründeten sie das „Alte Beueler Damenkomitee“. Dort tauschten sich die Damen über die Verfehlungen ihrer Gatten und ihre alltäglichen Belastungen aus. Sie übernahmen zunehmend die Kontrolle über die Feierlichkeiten und beschlossen, ihre Gatten an diesem besonderen Tag in die Mangel zu nehmen. Der Weiberfastnachtstag war schon seit Jahrhunderten ein Feiertag der Frauen. Sie erhielten mancherorts sogar das Recht, ihre Männer zu befehligen. In den 1950er Jahren stürmte das Alte Beueler Damenkomitee“ das Rathaus. Der Brauch des Krawatte-Abschneidens verbreitete sich von Bonn-Beuel aus in die restlichen Regionen Deutschlands.

Wie sieht es rechtlich aus?

Das Abschneiden der Krawatte ist zu einem Gewohnheitsrecht der Damen geworden. Es ist nicht strafbar, die Krawatte abzuschneiden. Wer sich als Mann inmitten des Karnevalstreibens befindet, muss damit rechnen, dass dieser Brauch verbreitet ist und auch angewendet wird. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Herr zuvor ausdrücklich seine Einwilligung verweigerte und die Dame die Krawatte dennoch abschneidet. Es kommt hier immer auf die Umstände im Einzelfall an. Wichtig ist, ob die Dame erkennen konnte, dass der Herr widerspricht oder ob sich dies aus den Umständen ergab. Was für die einen ein spaßiger Brauch ist, ist halt für Nicht-Rheinländer sehr verstörend.

Was gilt außerhalb des Rheinlands?

Das Abschneiden der Krawatte ist im Rheinland zu einem Brauch geworden, der ein Gewohnheitsrecht begründet. In anderen Regionen Deutschlands, außerhalb der Karnevalshochburgen Mainz, Düsseldorf und Köln, müssen Schlipsträger nicht damit rechnen, dass es ihnen „an die Krawatte geht“. In weniger karnevalistisch geprägten Gegenden kam es deshalb schon vor, dass Gerichte die Damen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilten. Sie bewerteten das Abschneiden der Krawatte als Eigentumsverletzung, die die Täterin nach § 823 I Bürgerliches Gesetzbuch schadensersatzpflichtig macht.

Drohen strafrechtliche Konsequenzen?

Eine Närrin, die einen Schlipsträger um seine Krawatte bringt, kann theoretisch auch strafrechtlich belangt werden. Beim Abschneiden der Krawatte handelt es sich rein objektiv betrachtet um eine Sachbeschädigung nach § 303 Strafgesetzbuch. Eine solche „Straftat“ wird nur vor Gericht verhandelt, wenn der Geschädigte einen entsprechenden Antrag bei Gericht einreicht. Lässt der Betroffene das Abschneiden der Krawatte über sich ergehen, liegt eine Einwilligung vor, die zu einem Ausschluss der Strafbarkeit führt. Sollte es tatsächlich zu einer Verhandlung kommen, wird es aber wohl jeder Richter bei einer Verwarnung belassen. Im schlimmsten Fall droht der Übeltäterin eine Geldstrafe.

Und wie sieht es arbeitsrechtlich aus?

Hier drohen etwas ernstere Konsequenzen. Wer seinem Vorgesetzten – trotz ausdrücklich entgegenstehenden Willens – die Krawatte abschneidet, muss mit einer Abmahnung rechnen. Im schlimmsten Fall ist sogar eine fristlose außerordentliche Kündigung nach § 626 I BGB möglich. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte vor dem Abschneiden der Krawatte nachfragen, ob dies in Ordnung ist. Ansonsten drohen ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen. Ob das Abschneiden der Krawatte in Ordnung ist oder nicht, ist nach dem gesunden Menschenverstand zu beurteilen. Auf der Arbeit sollten Sie einschätzen können, ob Ihr Vorgesetzter Spaß versteht oder nicht.

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Matthias Wurm
Autor/-in
Neben dem Studium der Rechtswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg schloss Matthias Wurm LL.M ein weiteres Studium in Corporate Governance and Financial Law an der Glashow University in Schottland ab. Seit 2018 promoviert er zum Dr. iur. an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In den Themengebieten Recht und als SEO-Spezialist ist er als Fachredakteur tätig. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Köln.
Matthias Wurm
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