Schlechter Tag, depressive Verstimmung, Depression oder Burnout?
Nur schlecht drauf oder schon depressiv?
Bestimmte Lebenssituationen können stark belasten, Ängste und Sorgen auslösen und die Hoffnung auf gute Zeiten dämpfen. Die emotionale Reaktion auf bestimmte Lebensereignisse zeigt sich in der Regel abhängig von der Intensität des Erlebten. Während eine schlechte Note bei der Weiterbildung oder ein missglücktes Meeting meist nur kurzzeitig für Frust und schlechte Stimmung sorgt, können wiederkehrende familiäre Konflikte und Streitereien die Psyche bereits anhaltender und intensiver belasten. Scheidung, Arbeitslosigkeit, eine schwere Krankheit und Tod gehören zu den Lebenssituationen, die emotional eine große Herausforderung sind und bei denen die meisten Menschen lange brauchen, um sich emotional zu erholen. Wie gut ihnen das gelingt, ist unter anderem abhängig von der individuellen Resilienz, also der persönlichen Widerstandsfähigkeit oder genauer: Der Fähigkeit eines Menschen schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen zu meistern und ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen.
Es ist normal, dass Menschen in bestimmten Lebenslagen das Gefühl haben, den Herausforderungen nicht gewachsen zu sein und sich überfordert, gestresst, erschöpft, mutlos und hoffnungslos fühlen. Hält solch ein Zustand über eine längere Zeit an, ist nicht auszuschließen, dass aus schlechten Tagen oder einer herausfordernden Lebensphase eine depressive Verstimmung, eine Depression oder gar ein Burnout entwickelt. Es ist wichtig, die Warnzeichen für eine psychische Erkrankung zu kennen und frühe Symptome richtig zu deuten. Nur wenn eine kranke Psyche frühzeitig erkannt wird, kann eine zielgerichtete Behandlung erfolgen – und den Betroffenen geholfen werden.
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Schlechte Tage und vorübergehende Stimmungsschwankungen gehören zum Leben dazu
Schlechte Tage und vorübergehende Stimmungsschwankungen gehören zum Leben dazu. Es kann nicht immer alles perfekt laufen und die seelische Sonne scheinen. Auch wird unsere Stimmung von hormonellen Veränderungen im Körper beeinflusst. Kurz vor und während ihrer Periode fühlen sich viele Frauen trauriger und sensibler als sonst und wünschen sich Rückzug und Ruhe. Oft ist die Welt dann schwärzer als normal. Ist die zyklusbedingte Stimmungsschwankung überstanden, ist auch die Laune wieder besser und die Motivation zurück.
Doch auch Streit, Stau, die ewige Parkplatzsuche, ein Strafzettel, ein missglücktes Kundengespräch, eine Abfuhr vom Chef, eine schlechte sportliche Leistung, die Steuererklärung oder das Kilo mehr auf der Waage können einen Tag richtig vermiesen. Das ist normal und man weiß: Der nächste Tag sieht meist schon besser aus. Die meisten Menschen wissen, wie sie mit solchen alltäglichen Stressoren und dem Frust schlechter Tage umgehen und die Laune wieder stabilisieren können: Ein warmes Bad, der Austausch mit Freunden, ein Spaziergang im Grünen, eine Tafel Schokolade, das Training mit dem Boxsack, Yoga oder eine Meditation – jeder hat sein persönliches Geheimrezept gegen vorübergehende Stimmungsschwankungen.
Depressive Verstimmung: Was das ist und wie Sie sie erkennen
Von einer depressiven Verstimmung sprechen Ärzt:innen, Psychiater:innen und Psycholog:innen, wenn eine Stimmungsveränderung ähnlich einer Depression vorliegt. Die Symptome einer depressiven Verstimmung sind nicht so intensiv wie bei einer Depression. Dennoch werden sie von den Betroffenen meist als sehr belastend wahrgenommen. Sie fühlen sich über mehrere Tage, Wochen bis Jahre immer wieder traurig, bedrückt, unzufrieden und melancholisch. Sie verlieren das Interesse an Tätigkeiten, die ihnen vormals Freude bereitet haben. Freude zu empfinden, fällt ihnen schwer. Sie ziehen sich zunehmend aus sozialen Interaktionen zurück.
Energiemangel, Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Unruhe, das Gefühl innerer Leere, Selbstzweifel, Ängste und ein geschwächter Selbstwert sind weitere Symptome. Halten die Beschwerden mindestens zwei Jahre an, spricht man von einer chronisch depressiven Verstimmung, medizinisch Dysthymie genannt. Es ist möglich, dass zu einer chronisch depressiven Verstimmung eine depressive Episode auftritt. Dann sprechen Experten von einer doppelten Depression oder double depression. Oft sind belastende, einschneidende und stressige Lebensereignisse der Auslöser. Manchmal ist keine Ursache der depressiven Phase erkennbar.
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Depression: Ursachen und Symptome der tiefen Hoffnungslosigkeit
Eine intensive depressive Verstimmung kann sich zu einer ernsten Depression auswachsen. Das ist häufig nach einschneidenden und lebensverändernden Ereignissen zu beobachten, beispielsweise bei schwerer Krankheit, Trennung oder Tod eines geliebten Menschen. Doch auch ohne ersichtlichen Grund kann eine Depression auftreten. Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention zufolge ist etwa jeder fünfte bis sechste Erwachsene einmal in seinem Leben von einer Depression betroffen. Frauen erhalten die Diagnose Depression etwa doppelt so häufig wie Männer. Aus medizinischer Sicht ist die Depression eine ernste Erkrankung, wie die Stiftung betont, die „das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen tiefgehend beeinflusst, mit Störungen von Hirn- und anderen Körperfunktionen einhergeht und erhebliches Leiden verursacht“. Viele Betroffene können ihren Alltag nicht mehr bewältigen. Sie haben oftmals nicht mal mehr die Kraft, aus dem Bett aufzustehen und sich anzuziehen. Beruf, Familie und Freunde rücken in den Hintergrund. Alltägliche Pflichten können nicht mehr erfüllt werden.
Wichtig zu wissen: Da es sich bei einer Depression um eine schwerwiegende psychische Erkrankung handelt, die im schlimmsten Fall zur Selbsttötung (Suizid) führt, muss eine Depression behandelt werden. Betroffene finden nicht alleine den Weg aus der Depression und können sich auch nicht alleine gegen die bedrückenden Gefühle und die negativen Gedanken wehren. Urlaub, Auszeiten und Entspannung können die Beschwerden nicht lindern. Die Basis der Therapie bildet die psychotherapeutische Behandlung. Abhängig vom Schweregrad der Depression können ergänzend Medikamente, sogenannte Antidepressiva, eingesetzt werden, die helfen, die Psyche zu stabilisieren. Hilfe finden Sie bei Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen in Ihrer Nähe oder unter der bundesweiten Telefonnummer 116 117.
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Symptome einer Depression
Treten über mindestens zwei Wochen hinweg oder länger mindestens fünf Symptome, darunter mindestens ein Hauptsymptom auf, wird die Diagnose Depression gestellt:
- Hauptsymptom: Gedrückte, depressive Stimmung. Betroffene verspüren tiefe Traurigkeit, eine niedergeschlagene, gedrückte Stimmung, innere Leere und können Gefühle nur noch schwer wahrnehmen.
- Hauptsymptom: Interessen- oder Freudlosigkeit. Betroffene verlieren das Interesse an früher für sie bedeutsamen Aktivitäten, Unternehmungen und Hobbys. Ihnen fehlt die Motivation. Sie können sich nicht aufraffen. Die Freude ist weg.
Zu den Zusatzsymptomen gehören:
- Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit, Erschöpfung, das Treffen von Entscheidungen fällt schwer.
- verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, oft schlechtes Erinnerungsvermögen
- Hoffnungslosigkeit mit Blick auf die Zukunft, Gefühl von Ausweglosigkeit
- Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld, das Gefühl eine Belastung zu sein, schwaches Selbstvertrauen
- Suizidgedanken/ Suizidhandlungen als Weg aus der als ausweglos empfundenen Situation
- Schlafstörungen, meist Einschlafstörungen und frühes Erwachen
- veränderter Appetit, Gewichtsverlust oder – seltener – Gewichtszunahme
- innere Unruhe, Getriebensein oder verlangsamte Bewegung und Sprache
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Was ist Burnout? Symptome frühzeitig erkennen und gegensteuern
Menschen, die ein Burnout erleiden, fühlen sich innerlich ausgebrannt und zutiefst erschöpft von den alltäglichen Belastungen. Der Begriff „Burnout“ wurde Mitte der 1970er Jahre von dem US-amerikanischen Psychotherapeuten Herbert Freudenberger geprägt. Er benutzte den Begriff für eine starke Erschöpfung, Entkräftung und Antriebslosigkeit, die im Zusammenhang mit helfenden Berufen (Pflegekräfte, Ärzte und andere soziale Berufe) auftrat. Heute wird der Begriff nicht mehr allein für die Erschöpfung in Folge einer enormen Opferbereitschaft verwendet. Ein Burnout-Syndrom kann alle Menschen treffen, die sich anhaltend überfordert und überlastet fühlen, viel Verantwortung übernehmen (müssen), ständig unter Zeitdruck stehen und Konflikten ausgesetzt sind – sei es im Beruf oder im Privaten.
Freudenberger unterschied seinerzeit mehrere Krankheitsphasen. Laut ihm beginnt ein Burnout mit übertriebenem Perfektionismus und Ehrgeiz und einer damit einhergehenden hohen Einsatzbereitschaft. Das führt dazu, dass Bedürfnisse ignoriert werden und Körper sowie Seele nicht mehr ausreichend Pausen, Ruhe und Regenerationsphasen zur Verfügung stehen. Das zerrt an den eigenen Ressourcen und führt zunehmend zur Erschöpfung. Diese Erschöpfung weitet sich schließlich aus und Antrieb, Motivation, Eigeninitiative und Freude an der Tätigkeit lassen zunehmend nach – bis hin zu Desinteresse und Gefühlen von Sinnlosigkeit. Die letzte Phase ist gekennzeichnet durch totale körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung.
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Burnout-Symptome
Ein Burnout entwickelt sich langsam. Zu den möglichen Burnout-Symptomen gehören:
- Erschöpfung: Betroffene fühlen sich erschöpft, ausgelaugt, energielos, müde, niedergeschlagen, überfordert und berichten häufig von körperlichen Beschwerden wie Schmerzen (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen), Schlafproblemen, Gedankenkreisen und Magen-Darm-Beschwerden. Lesetipp: Wie der Darm und die Psyche zusammenhängen.
- Zunehmende Abneigung/ Entfremdung von der (beruflichen) Tätigkeit: Betroffene erleben ihre Arbeit zunehmend als belastend – obwohl sie zuvor Freude an der Tätigkeit hatten. Oftmals entwickeln sie eine zunehmende emotionale Distanz und eine zynische Haltung gegenüber Kollegen und den Arbeitsbedingungen. Die Tätigkeit rückt immer mehr in ein negatives Licht. Positive Seiten können nicht mehr richtig wahrgenommen werden.
- Abnehmende Leistungsfähigkeit: Betroffene sind immer weniger leistungsfähig und belastbar. Sie sind zunehmend lustlos, unkonzentriert und beklagen sich über die Tätigkeit. Kreativität, Ideenreichtum und Umsetzungsfähigkeit lassen nach. Es fehlt der „flow“.
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Wie kann ich einem Burnout vorbeugen?
Ein Burnout ist die Folge einer anhaltenden Belastung. Wer einer sehr kräftezehrenden und belastenden Tätigkeit nachgeht, sollte darauf achten, sich ausreichend Ausgleich zu schaffen, etwa in Form von Auszeiten, Ruhephasen, Pausen und Erholung. Ebenso wird empfohlen, die eigene Situation sowie die persönlichen Werte regelmäßig anzuschauen, zu reflektieren und einzuordnen. Was tut mir gerade gut? Was belastet mich wie sehr und warum? Bin ich mir und meinen Werten gerade noch treu? Was kann ich tun, um die Situation zu verbessern? Wichtig ist, dass Sie sich im Stress nicht vergessen und Ihre Bedürfnisse nicht ignorieren. In Sozialberufen bieten Arbeitgeber in der Regel Supervisionen und Austauschgruppen an sowie Coachings und Weiterbildungen für die persönliche Entwicklung.
Lesetipp: Burnout: Tipps, wie Sie einen Burnout-Rückfall vermeiden.
Depressive Verstimmung, Depression und Burnout brauchen professionelle Hilfe
Es ist nicht einfach, zwischen einer schwierigen
Phase, einer depressiven Verstimmung, einer Depression und einem Burnout zu
unterscheiden. Beschwerden, die einem Burnout zugeordnet werden, treten auch
bei einer Depression auf, etwa starke Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und
verringerte Leistungsfähigkeit. Bei anhaltend und zunehmend gedrückter und
trauriger Stimmung sowie Erschöpfung ist daher ein Arztbesuch für eine
professionelle Diagnose dringend anzuraten – vor allem, wenn Sie sich trotz
Entspannungsmaßnahmen und weiteren Anpassungen im Alltag durch Eigeninitiative
nicht besser fühlen. Ist die Erschöpfung so groß, dass Betroffene das Bett
nicht mehr verlassen können, deutet das in Zusammenhang mit starken Stress und
einer intensiven Belastungssituation auf eine klinisch relevanten Depression
hin.
Gerade weil sich die Beschwerden ähneln, sollten keine voreiligen (Eigen)Diagnosen gestellt werden. Dies kann zu einer falschen Behandlung führen, welche die Beschwerden sogar verschlimmern kann. Fachärzt:innen für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie können eine psychische Erkrankung diagnostizieren und eine zielgerichtete Behandlung empfehlen. Die erste Anlaufstelle ist meist der:die Hausärzt:in. Dieser:diese stellt zur weiteren Abklärung der Beschwerden eine Überweisung an eine:n entsprechende:n Fachärzt:in aus.
Behandlung und Unterstützung bei depressiver Verstimmung, Depression und Burnout
Bei depressiver Verstimmung, Depression und Burnout stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese werden abhängig von der Diagnose und dem individuellen Beschwerdebild eingesetzt und entsprechend miteinander kombiniert.
Psychotherapie: Es werden Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Langzeitvorbeugung unterschieden. Die Akuttherapie dauert sechs bis acht Wochen und hat das Ziel, die Symptome soweit zu verbessern, dass Betroffene ihren Alltag wieder stemmen können. Die Erhaltungstherapie dämmt die Symptome weiter ein und hat zum Ziel, den Therapieerfolg zu stabilisieren. Sie dauert vier bis neun Monate. Besteht ein erhöhtes Risiko für ein Wiederauftreten einer Depression, kann eine Langzeitbehandlung helfen, Rückfällen vorzubeugen. Das bei Depressionen am häufigsten eingesetzte psychotherapeutische Verfahren ist die kognitive Verhaltenstherapie.
Lesetipp: Psychotherapieformen und ihre Techniken: Ein Leitfaden zur Auswahl der richtigen Therapiemethode.
Medikamente: Die Psychotherapie wird in schwereren Fällen und wiederkehrenden Depressionen durch eine medikamentöse Therapie ergänzt. Die unterschiedlichen Medikamente und Wirkstoffgruppen werden unter dem Sammelbegriff „Antidepressiva“ zusammengefasst. Sie sollen die Stimmung heben und den Antrieb steigern. Einnahmedauer, Dosierung und Wirkstoffgruppe werden auf das individuelle Beschwerdebild abgestimmt. Häufig eingesetzt werden Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI). Die Wirksamkeit der SSRI bei akuten depressiven Episoden ist bereits in vielen kontrollierten klinischen Studien nachgewiesen worden. Sie hemmen die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT) aus dem synaptischen Spalt in die präsynaptische Nervenzelle, wodurch die 5-HT-Konzentration zwischen den Neuronen zunimmt – was die Signalübertragung im ZNS verbessert.
Selbsthilfestrategien: Im Rahmen der Psychotherapie werden zudem Strategien erarbeitet, mit denen sich Betroffene selbst helfen und stärken können. Regelmäßige Bewegung ist dabei ebenso wichtig wie die Teilnahme an Unterstützungsgruppen sowie der Aufbau eines starken sozialen Netzwerks. Je mehr Unterstützung und eigene „Werkzeuge“ den Betroffenen zur Verfügung stehen, desto selbstwirksamer und gestärkter fühlen sie sich und desto besser können sie Hoffnungslosigkeit und einem schwachen Selbstwertgefühl entgegenwirken. In der Psychotherapie werden Selbsthilfestrategien entwickelt, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild bewährt haben.
Quellen: