Nachbarschaftsrecht: Was der Nachbar darf und was nicht
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Nachbarschaftsrecht: Was der Nachbar darf und was nicht

Ein Grundstück legt seinem Eigentümer viele Rechten und Pflichten auf. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit der Grundstücksgrenze. Diese grenzt an Straßen oder Nachbargrundstücke. In beiden Situationen sind rechtliche Vorschriften zu beachten. Wir klären Sie über die wichtigsten Regelungen auf!

Die Grundstücksgrenze: Ein häufiger Streitpunkt

An der Grundstücksgrenze erhitzen sich die Gemüter. Wenn die Äpfel auf das Grundstück des Nachbarn fallen oder die Terrasse durch eine überdimensionale Hecke keine Sonnenstrahlen abbekommt, entstehen hitzige Diskussionen.

Nachbar's Äpfel sind tabu

Das Abpflücken vom Baum im Nachbargarten ist verboten. Dies gilt selbst dann, wenn die Äpfel über den Zaun ragen. Die Äpfel sind Bestandteil des Baumes, der auf dem Nachbargrundstück steht. Sobald sie eigenständig abfallen, dürfen sie jedoch aufgehoben werden. Wer es auf die Äpfel des Nachbarn abgesehen hat, muss also geduldig auf Fallobst warten.

Baurechtliche Besonderheiten

Bei der Errichtung von Gebäuden ist ein Mindestabstand zum Nachbargrundstück zu wahren. Wenn der Bebauungsplan eine geschlossene Bebauung vorsieht, ist eine grenznahe Bebauung aber ausnahmsweise erlaubt. Typische Beispiele sind Reihenhäuser oder Häuser in der Altstadt, deren Nähe historisch erwachsen ist.

Grenzbebauungen sind auch zulässig, wenn die Gebäude keine Aufenthaltsräume und Feuerstätten beherbergen. Dies trifft auf Grenzgaragen zu, die nicht länger als zwölf Meter sind und eine durchschnittliche Wandhöhe von 3,2 Metern unterschreiten. Bei einer Grenzbebauung ist ein Mindestabstand zum Nachbargrundstück von drei Metern einzuhalten.

Achtung: Drohende Nutzungsuntersagungen und Abrissverfügungen

Eine illegale Grenzbebauung hat schon so manchen Nachbarn verärgert. Grenzbebauungen können den Wert von Nachbargrundstücken schmälern. Des einen Freud ist dann des anderen Leid. Viele Nachbarn wehren sich, indem sie die illegale Bebauung bei der zuständigen Behörde anzeigen. In den Bauordnungen der Bundesländer ist vorgesehen, dass die Nutzung von formell illegal errichteten Bauten untersagt werden kann. Wenn ein Gebäude illegal errichtet wurden, ist sogar der Erlass einer Abrissverfügung möglich.

Es ist irrelevant, ob es sich um ein Versehen handelt. Sobald der Nachbar auf den Abriss besteht oder die Behörde Kenntnis von der Illegalität erlangt, sind schmerzhafte Einschnitte zu erwarten. Das Überschreiten des Grenzabstands um nur wenige Zentimeter kann dazu führen, dass das gesamte Gebäude zurückzubauen ist. Die Abstandsflächen sind zentimetergenau zu wahren - auch, wenn sie sich noch im Rahmen der üblichen Bautoleranzen halten. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung ein Ermessen: Dabei wägt sie den Rechtsverstoß gegen die Interessen des Nachbarn ab. Eine Ausnahmeregelung ist im Regelfall nicht mehr möglich, wenn sich die Abweichung im zweistelligen Zentimeter-Bereich bewegt.

Vermessungsingenieur verringert rechtliche Risiken

Wer an der Grundstücksgrenze baut, sollte keine Risiken eingehen. Eine unzulässige Grenzbebauung erregt die Gemüter der Nachbarschaft, führt zu Bauverzögerungen und erzeugt finanzielle Belastungen. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Vermessungsingenieur schafft Sicherheit. Dieser sollte beauftragt werden, wenn die "Drei-Meter-Grenze" ausgeschöpft werden muss oder soll. Sollte der Vermessungsingenieur Fehler begehen, haftet er für die Grenzüberschreitung. Die anfallenden Kosten erstattet seine Versicherung.

Gleiches gilt für Fehler, die Bauunternehmer und Architekten begehen. Etwaige Rechtsstreitigkeiten sind kostenintensiv. Die Rechtsschutzversicherung springt in einem solchen Fall nicht ein. Das Risiko des Bauherren ist in den meisten Versicherungsverträgen ausgeschlossen.

Immissionen zum Nachbargrundstück

An der Grundstücksgrenze dringen Immissionen wie Lärm und Grillqualm auf das Nachbargrundstück. Diese Immissionen hat der Nachbar grundsätzlich zu dulden. Etwas anderes gilt nur, wenn sie ihn erheblich beeinträchtigen. Wenn die Gerüche vom Holzkohlegrill in Wohn- und Schlafzimmer einziehen, sollten Grundstückseigentümer und Mieter auf einen Elektrogrill umsteigen. Die Nachtruhe beginnt um 22 Uhr und endet um 6 Uhr morgens. Die Lautstärke der Musik ist dann entsprechend anzupassen.

Pflanzen an der Grundstücksgrenze

Gegen Pflanzen an der Grundstücksgrenze spricht prinzipiell nichts. Wenn der Nachbar eine starke Allergie gegen Birkenpollen hat oder zentnerweise Laub herunterfällt, entsteht aber erfahrungsgemäß Unmut. Die gesetzlichen Bestimmungen über Pflanzen an der Grundstücksgrenze variieren stark.

Diese hängen von dem Bundesland ab, in dem sich das Grundstück befindet. Einige Bundesländer untersagen den Einsatz bestimmter Pflanzen oder schreiben eine Maximalhöhe vor. Schatten und Laub an der Grundstücksgrenze sind prinzipiell zu dulden. Dies gilt aber nur, soweit sie den Nachbarn nicht unzumutbar beeinträchtigen. Wenn die Grillterrasse des Nachbargrundstücks im Schatten versinkt, ist ein ordentlicher Heckenschnitt notwendig.

Überhang des Nachbarn selbst beseitigen

Wenn der Baum des Nachbarn über die Grundstücksgrenze wächst und faule Äpfel abwirft, fühlen sich viele Nachbarn provoziert. Für solche Situationen existiert § 910 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dieser besagt, dass der Nachbar die überhängenden Wurzeln abschneiden und behalten darf.

Gleiches gilt für überhängende Zweige - bei diesen ist dem Nachbarn aber zuvor eine Frist zur Beseitigung zu setzen. Eine eigenständige Beseitigung ist nur erlaubt, wenn die Zweige und Wurzeln die Grundstücksnutzung beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Baum die Einfahrt verkleinert oder die Wurzeln Pflastersteine beschädigen. Laub, das über die Grundstücksgrenze weht, ist keine Beeinträchtigung.

Die Räum- und Streupflicht

Im Nachbarrecht markieren Grenzsteine die Grundstücksgrenze. Jede Grundstücksfläche, die betreten wird, unterliegt der Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers. Dieser hat eine Räumund Streupflicht. Sie soll sicherstellen, dass Anwohner, Besucher und Personen wie Postboten das Grundstück gefahrlos betreten können.

Die Streu- und Räumpflicht ist vor allem bei Minusgraden relevant. Glatteis und Laub sind typische Gefährdungsquellen, die zu immensen Personenschäden führen können. Grundstückseigentümer haben die Möglichkeit, diese Pflicht auf ihre Mieter zu übertragen. Dies erfolgt über den Mietvertrag oder die Hausordnung. Wenn der Mieter seiner Pflicht nicht nachkommt und eine Person zu Schaden kommt, ist der Vermieter nicht von seiner Haftung befreit. Die Räum- und Streupflicht reicht bis zur Grundstücksgrenze.

Beim öffentlichen Straßenverkehr beginnt die Verantwortlichkeit der Gemeinde. Viele Gemeinden erlassen Satzungen, in denen sie die angrenzenden Grundstückseigentümer zur Reinigung der Bürgersteige verpflichtet. Wenn eine solche Satzung nicht besteht, endet die Räum- und Streupflicht tatsächlich an der Grundstücksgrenze.

Die Einfriedung der Grundstücksgrenze

Grundstücksgrenzen, die mit einem Zaun oder einer Hecke abgeschlossen werden, sind eingefriedet. Eine Einfriedung erfolgt aus verschiedenen Gründen, beispielsweise zur Abwehr von Beeinträchtigungen.

  • Das Betreten durch Tiere oder Menschen.
  • Etablierung eines Sichtschutzes.
  • Abschirmung gegen Wind, Sonne und Lärm.

Der Abschluss der Grundstücksgrenze soll den Frieden auf dem Grundstück bewahren. Daher stammt auch der Name "Einfriedung". Es existieren tote und lebende Einfriedungen. Tote Einfriedungen sind Gartenzäune und Gartenmauern. Sie sind bauliche Einrichtungen im Sinne des Baugesetzbuches und unterliegen den baurechtlichen Bestimmungen der Länder.

Lebende Einfriedungen sind Gartenhecken, die maximal bis zu drei Meter an die Grundstücksgrenze heranreichen dürfen. Wenn der Nachbar einwilligt, wandelt sich die Gartenhecke in eine Grenzanlage um. Sobald der Nachbar eine Genehmigung für eine gemeinsame Grundstücksgrenze erteilt, ist eine einseitige Entfernung nicht mehr möglich. Eine Änderung bedarf der Zustimmung beider Parteien.

Die Vorschriften für Einfriedungen gelten nicht für Stützmauern. Diese dienen der Sicherung von Hang-Grundstücken und unterliegen anderen Regelungen. Sichtschutzzäune sind typische Einfriedungen. Aufgrund ihrer Höhe und Ausführung sind sie bauliche Anlagen, die - je nach Einzelfall - genehmigungspflichtig sind.

Keine festen Regelungen

Vor der Einfriedung von Grundstücken empfiehlt sich ein Anruf bei der örtlichen Baubehörde. Diese gibt darüber Auskunft, ob eine Einfriedungssatzung existiert. Zumeist sind Einfriedungen erlaubt, wenn sie ortsüblich sind, d.h. sich dem Erscheinungsbild der Nachbarschaft anpassen. Wenn alle Nachbarn eine Hecke mit einer Höhe von einem Meter haben, ist eine zwei Meter hohe Hecke untypisch.

Eine Hecke mit einer Höhe von 1,2 Metern sollte hingegen zulässig sein. Das Nachbarrecht ist ein Teilbereich des Privatrechts, d.h. des Zivilrechts. Eigentümer von Grundstücken müssen aber dem öffentlichen Recht, insbesondere dem Naturschutz-, Bau-, Straßen- und Wegerecht den Vorrang einräumen. Viele Regelungen des Nachbarrechts werden durch Bebauungspläne von Gemeinden und Städten modifiziert. Im Nachbarrecht existieren kaum feste Regeln. Allerdings gibt es sehr oft wegweisende Urteile aus der Region.

Überbauten nach § 912 des Bürgerlichen Gesetzbuches

Es gibt Immobilien, bei denen Dächer oder Regenrohre über die Grundstücksgrenze hinausragen. Die Eigentümer der Grundstücke sind dazu verpflichtet, illegale Überbauten zu beseitigen. Überbauten beeinträchtigen das Eigentumsrecht der angrenzenden Nachbarn. Manchmal führt dies jedoch zu einer unbilligen Härte. Dann wird dem Nachbarn eine Duldungspflicht auferlegt.

Im Gegenzug erhält der Nachbar einen Ausgleich in Form einer wiederkehrenden Geldzahlung. Diese Regelung wurde eingeführt, weil Bauherren sehr schnell Grenzen überschreiten. Sie gilt nur, wenn die Überschreitung leicht fahrlässig erfolgte und der Nachbar dem Überbau nicht sofort widersprochen hat. Eine Duldungspflicht macht den Überbau nicht rechtmäßig. Sie hebt nur die Verpflichtung auf, das Werk zurückzubauen.

Die Regelung in § 912 BGB wurde zum Erhalt wirtschaftlicher Werte eingeführt. Der Rückbau eines Gebäudes ist mit erheblichen Kosten verbunden. Deren Höhe ist vor dem Hintergrund der geringfügigen Rechtsverletzung oftmals unverhältnismäßig hoch.

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Matthias Wurm
Autor/-in
Neben dem Studium der Rechtswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg schloss Matthias Wurm LL.M ein weiteres Studium in Corporate Governance and Financial Law an der Glashow University in Schottland ab. Seit 2018 promoviert er zum Dr. iur. an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In den Themengebieten Recht und als SEO-Spezialist ist er als Fachredakteur tätig. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Köln.
Matthias Wurm
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