Wie ist die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose?
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Wie ist die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose?

Plötzlich stehen eine Menge Fragen im Raum. Einige davon möchten wir beantworten. Wie ist die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose? Fünf Fragen zu MS.

Jedes Jahr erhalten etwa 2.500 Deutsche die Diagnose Multiple Sklerose. Die chronisch-entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems verunsichert die Betroffenen und ist häufig mit Ängsten verbunden. 

Multiple Sklerose-Lebenserwartung: Sterbe ich mit MS früher?

Wie die Deutsche Gesellschaft für Multiple Sklerose e. V. (DGMS) mitteilt, unterscheidet sich die Lebenserwartung von Menschen mit MS „nicht sehr von der Lebenserwartung der Menschen insgesamt“. Dies mache die verbesserte medizinische Behandlung von MS Erkrankten möglich. Würde man die Lebensdaten von MS-Erkrankten mit denen der Gesamtbevölkerung vergleichen, sei feststellbar, dass MS-Erkrankte im Durchschnitt eine um sechs bis sieben Jahre verkürzte Lebenserwartung haben.

Grundsätzlich ist Multiple Sklerose nicht tödlich. In sehr seltenen Fällen können extrem schwere MS-Verläufe nach einiger Zeit zum Tode führen. Wie Untersuchungen gezeigt haben, sind MS-Kranke anfälliger für sekundäre Erkrankungen, etwa Entzündungen der Harn- und Atemwege.

MS-Prognose: Wie ist der Multiple Sklerose-Verlauf?

Wie der Verlauf der Multiplen Sklerose ist, lässt sich nicht vorhersagen. Die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems verläuft bei jedem Patienten anders. Das Krankheitsbild der Autoimmunerkrankung ist stark davon abhängig, welche Bereiche in Gehirn und Rückenmark betroffen sind, wie stark die Schädigung der Nerven ist, wie rasch die Erkrankung fortschreitet und wie häufig und intensiv die MS-Schübe und ihre Folgen sind.

Dennoch lässt sich eine grobe Einteilung vornehmen. Angaben der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz zufolge hat ein Drittel der Betroffenen zeitlebens einen günstigen Verlauf der Krankheit. Ein weiteres Drittel leidet unter Behinderungen, die Selbstständigkeit bleibt jedoch erhalten. Für ein Drittel der Patienten bringt die Multiple Sklerose schwere Behinderungen mit sich, im Extremfall auch den Tod. Nach 25 Jahren Krankheitsdauer – bei entsprechender Behandlung – sind laut den Experten im Schnitt noch gut 30 Prozent der Patienten arbeitsfähig und noch etwa 65 Prozent der Patienten gehfähig.

Ist Multiple Sklerose vererbbar?

Multiple Sklerose ist keine klassische Erbkrankheit. MS wird nicht von den Eltern auf das Kind vererbt. Weitergegeben wird lediglich eine Neigung, möglicherweise an MS zu erkranken. Experten gehen davon aus, dass es erst durch den zusätzlichen Einfluss weiterer MS-Risikofaktoren zu einem Ausbruch der chronisch-entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems kommt. Daher sprechen sie auch von "multifaktoriellen" Ursachen der MS.

Die Theorie der genetischen Veranlagung wird dadurch gestützt, dass in bestimmten Familien Multiple Sklerose gehäuft auftritt. So haben besonders Verwandte ersten Grades ein erhöhtes Risiko, eine MS zu entwickeln. Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zufolge gibt es in vier von hundert Familien mit MS mehr als einen Erkrankten.

Persönlichkeitsveränderung: Werde ich mit MS ein anderer Mensch?

Die Diagnose MS verändert das Leben der Betroffenen von einem Moment auf den anderen. Plötzlich bestehen Unsicherheiten und Ängste. „Was bedeutet die Diagnose MS für meine Gesundheit und mein Leben?“, „Wie beeinflusst die Krankheit mein Familienleben und meine Familie?“, „Lande ich im Rollstuhl?“: Auf einmal dreht sich das ganze Leben um die Erkrankung. Während einige erleichtert sind, zu wissen, was die Ursache für ihre Beschwerden ist und mit Optimismus und Mut in die neue Lebenssituation gehen, verspüren andere Hilflosigkeit und Angst und fallen in ein „emotionales Loch“. Jeder Betroffene empfindet sein Leben mit MS anders und kommt unterschiedlich gut mit den Herausforderungen klar. Abhängig ist das immer auch von der Schwere der Erkrankung und ihrem Verlauf.

Seh-, Gang- und Sprachstörungen und schmerzhafte Krämpfe beispielsweise sind stark belastend, ebenso plötzlich einen Rollstuhl zu brauchen oder bettlägerig zu werden. Auch die mit der MS häufig verbundene starke Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue) sowie Antriebslosigkeit können eine große Belastung im Alltag darstellen und wirken sich auf die Stimmung aus. Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen und Angststörungen können mit der MS in Zusammenhang stehen. Bis zu 50 Prozent der MS-Betroffenen erleben im Laufe ihrer Erkrankung eine oder mehrere depressive Phasen. Im Rahmen der MS-Therapie arbeiten daher Neurologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychotherapeuten und Psychiater zusammen.

Persönlichkeitsveränderungen durch Multiple Sklerose

Auch sind Persönlichkeitsveränderungen möglich, welche durch die Entzündungsherde und Vernarbungen im Gehirn bedingt sind. Manche Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose können ihre Emotionen nicht mehr kontrollieren. Sie lachen oder weinen unangemessen. Oftmals ist die Denkfähigkeit eingeschränkt. Ob und welche Persönlichkeitsveränderungen im Zusammenhang mit MS auftreten, hängt davon ab, welche Bereiche in Gehirn und Rückenmark betroffen sind und wie stark die Reizweiterleitung aufgrund angegriffener Nervenzellen, Vernarbungen und Entzündungen gestört ist.

Multiple Sklerose-Impfung: Gibt es eine Impfung gegen MS?

Bislang gibt es keine Schutzimpfung gegen Multiple Sklerose. Wie MS-Patienten auf die Gabe anderer Impfungen reagieren, ist nicht sicher vorherzusagen. Klar ist, dass Impfungen das Immunsystem aktivieren. Ein aktiviertes Immunsystem steht mit dem Fortschreiten der MS sowie MS-Schüben in Zusammenhang. Früher wurde daher häufig davon abgeraten, MS-Patienten zu impfen. Das hat sich gewandelt.

Die Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz lehnen Impfungen bei MS-Kranken nicht ab. Besonders die Grippe-Impfung bei MS-Kranken sei oftmals empfehlenswert. Der Grund: Virale Infektionen, insbesondere die Grippe, könnten MS-Schübe auslösen, begleitendes Fieber könne die Symptome verstärken. Allerdings sollte eine solche Impfung nicht während eines akuten Schubes oder einer Kortison-Behandlung erfolgen.

Ebenfalls wichtig zu wissen ist: Während einer Therapie mit Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Cyclophosphamid darf MS-Betroffenen keine aktive Lebendimpfung mit vermehrungsfähigen Erregern wie beispielsweise Masern/Mumps/Röteln oder Windpocken verabreicht werden. Sind Impfungen notwendig – etwa gegen das Corona-Virus – sollten Multiple Sklerose-Betroffene mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin sprechen, ob der aktuelle Krankheitsstatus eine Impfung zulässt.

Rauchen kann das MS-Risiko erhöhen. Außerdem kann Rauchen Schäden im Gehirn und körperliche Beeinträchtigungen verstärken. Wie Studien zeigen, haben Raucher ein 1,5-mal höheres Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, als Nichtraucher. Außerdem kann Rauchen einen aggressiveren Krankheitsverlauf der MS begünstigen.
MS führt nicht bei allen Betroffenen zu einem Leben im Rollstuhl. Nicht ganz die Hälfte der an MS Erkranken ist im Verlauf der Krankheit auf einen Rollstuhl angewiesen. Häufig kann eine auf den Patienten zugeschnittene Therapie den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen und ihm ein unabhängiges Leben ermöglichen. Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zufolge führt MS bei unter fünf Prozent der Betroffenen innerhalb weniger Jahre zu schwerer Behinderung.
Heilbar ist die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose nicht. Das Ziel der MS-Therapie liegt darin, die Entzündungsreaktionen des zentralen Nervensystems zu reduzieren, den Krankheitsverlauf zu bremsen, neue Schübe zu verhindern und bestehende Beschwerden bestmöglich zu lindern. Wie die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft mitteilt, muss MS nicht zwangsläufig schwer verlaufen. Multiple Sklerose führe nur in wenigen Fällen (unter fünf Prozent) innerhalb weniger Jahre zu schwerer Behinderung. Aus Verlaufsbeobachtungen könne abgeleitet werden, dass die Wahrscheinlichkeit, auch weiterhin einen relativ gutartigen Verlauf zu haben, höher ist, wenn nach fünf oder zehn Jahren das Krankheitsbild stabil sei.  

Quellen:

Erkrankungsverlauf und Prognose bei Multiple Sklerose (MS). Online-Information der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz. (Stand: Aufgerufen am 8. Juni 2021)

Was ist Multiple Sklerose? Online-Information der Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V. (DMSG). (Stand: 19. Mai 2021)

Sport, Ernährung, Impfungen und Kinderwunsch bei Multipler Sklerose (MS). Online-Information der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz. (Stand: Aufgerufen am 8. Juni 2021)

MS-Info. Psychische Auswirkungen. Fachinformation der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft. (Stand: Aufgerufen am 8. Juni 2021)

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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