Experteninterview: Schlafdrinks - die Wirksamkeit ist meist nicht belegt
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Experteninterview: Schlafdrinks - die Wirksamkeit ist meist nicht belegt

Sie heißen „Sleep.ink“, „Sleep Well“ oder „Snooze“: Sogenannte Schlafdrinks werden zurzeit stark beworben. Zutaten wie Baldrian, Mohnsaft oder Melatonin sollen das Einschlafen fördern oder die Schlafqualität verbessern. Wir haben Ernährungswissenschaftlerin Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale Hessen befragt, was solche Drinks taugen.  

Bislang gab es Einschlafhilfen vor allem als Tee oder pflanzliche Arzneimittel. Was können die neuen Schlafdrinks (angeblich) besser?

Wiebke Franz: Die neuen Schlafdrinks kommen vor allem mit fantastischen Namen wie "Heldenpause", "Timeout" oder "Smart Sleep" daher und sind einfach moderner aufgemacht. Kräutertee klingt eben nicht so trendy. Dabei enthalten die Produkte oft ähnliche Stoffe, wie sie auch in herkömmlichen Tees enthalten sind.

Welche Inhaltsstoffe sind das?

Wiebke Franz: Das sind vor allem pflanzliche Stoffe wie Baldrian, Melisse, Hopfen oder Passionsblume. Auch kalifornischer Mohn ist in dem einen oder anderen Produkt enthalten. Einige Hersteller geben B-Vitamine, Vitamin C oder Eisen dazu, da für diese Stoffe verschiedene gesundheitsbezogene Angaben zugelassen sind, unter anderem die Angabe „… trägt zur Verringerung von Müdigkeit oder Ermüdung bei“.

Teilweise sind auch bestimmte Aminosäuren wie L-Theanin enthalten, die die geistigen Fähigkeiten, die Entspannung und den Schlaf positiv beeinflussen sollen. Diese Wirkungen sind aber nicht belegt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat entsprechende Werbeversprechen abgelehnt.

Einige Hersteller fügen ihren Produkten das Schlafhormon Melatonin zu, das den Schlaf nachweislich beeinflusst, aber auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Insgesamt ist der Markt für Schlafdrinks unübersichtlich und es ist schwer zu überblicken, ob alles so zulässig ist.

Schläft man mit solchen Getränken tatsächlich besser ein?

Wiebke Franz: Klare wissenschaftliche Belege gibt es bislang nur für Melatonin. Für die Substanz in Lebensmitteln sind zwei gesundheitsbezogene Angaben zugelassen: Je nach Dosierung dürfen Hersteller mit „trägt zur Linderung der subjektiven Jetlag-Empfindung bei“ oder mit „trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen“ werben. Für viele Pflanzenstoffe wurden Claims, also gesundheitsbezogene Angaben, beantragt, aber die Bewertung steht noch aus. Die Wirkung der Drinks mit solchen Inhaltsstoffen ist also völlig unklar.

Welche Risiken oder Nebenwirkungen können die Schlafdrinks haben?

Wiebke Franz: Solange die Bewertung für die einzelnen Inhaltsstoffe aussteht, bleibt unklar, ob die Stoffe wirken und ab welcher Dosierung sie möglicherweise schaden. Für Vitamin B6 beispielsweise ist bekannt, dass bei einer Überdosierung Nervenprobleme wie Kribbeln in den Händen oder Taubheitsgefühle auftreten können.

Bei Baldrian kann die Wirkung bei Überdosierung ins Gegenteil umschlagen, es kommt dann zu Unruhe. Manche Hersteller werben sogar mit einer extra hohen Dosierung. Die Inhaltsstoffe sind teilweise höher dosiert als in pflanzlichen Arzneimitteln.

Aus Sicht der Verbraucherzentrale sind solche Produkte mit Vorsicht zu genießen, vor allem bei Bezug aus dubiosen Quellen, z. B. aus dem Internet, wenn nur die Postfachadresse angegeben ist. Verbraucher können sich auf der Homepage Klartext-Nahrungsergaenzung.de informieren, ob es Warnungen zu bestimmten Produkten gibt.  

Welche natürlichen Lebensmittel können beim Einschlafen helfen?

Es gibt zahlreiche Ursachen für Einschlafstörungen. Bei vielen Menschen sind das Reizüberflutung oder Stress. Der Lebensstil insgesamt hat einen viel größeren Einfluss auf das Einschlafen als die Ernährung. Grundsätzlich sollte man sich ausgewogen ernähren und abends frühzeitig eine eher kleine Portion essen. Dabei wählt man am besten gut verträgliche Speisen. Blähende Lebensmittel und alles was den Magen belastet, sollte man abends meiden.

Häufig ist zu lesen, dass Lebensmittel mit der Aminosäure Tryptophan das Einschlafen fördern, da die Substanz im Körper zu Serotonin und schließlich zu dem Schlafhormon Melatonin umgewandelt wird. Tryptophan ist in Fleisch, Nüssen, Hülsenfrüchten oder auch Milch enthalten.

Wir sind daher in der Regel ausreichend damit versorgt. Als Einschlafhilfe wird häufig ja auch warme Milch mit Honig empfohlen. Meiner Ansicht nach geht eine positive Wirkung eher auf das Wohlgefühl zurück, das wir dabei empfinden. Generell sind individuelle Rituale vor dem Schlafengehen empfehlenswert.  Ein warmer Tee, ein warme Milch oder auch ein angenehmes Buch können durchaus zum besseren Einschlafen beitragen.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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