Sjögren-Syndrom: Ursachen, Symptome & Behandlung der Autoimmunerkrankung
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Sjögren-Syndrom: Ursachen, Symptome & Behandlung der Autoimmunerkrankung

Augenbrennen, Nasenbluten, trockener Mund und tiefe Erschöpfung: Menschen, die am Sjögren-Syndrom erkrankt sind, leiden unter anhaltend entzündeten Drüsen – vor allem der Speichel- und der Tränendrüsen. Das Sjögren-Syndrom gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Die Symptome entstehen, da das Immunsystem körpereigenes Gewebe fälschlicherweise als fremd einstuft und es bekämpft. Heilbar ist das Sjögren-Syndrom nicht. Mit einer gut eingestellten Therapie lassen sich die Symptome jedoch lindern – und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.

Was ist das Sjögren-Syndrom?

Das Sjögren-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung und gehört zu den chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Das Sjögren-Syndrom gehört zur Gruppe der Kollagenosen und ist eine systemische (den gesamten Körper betreffende) Erkrankung. Beim Sjögren-Syndrom greift die körpereigene Abwehr die Drüsen des Körpers an – zuerst die Speichel- und die Tränendrüsen, später auch andere Schleimhäute des Körpers, wie die der Atemwege und des Intimbereichs. Durch die anhaltende Attacke und Überaktivität des Immunsystems sind Betroffene oft stark erschöpft und in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Viele Betroffene haben einen langen Leidensweg hinter sich, bevor sie die Diagnose Sjögren-Syndrom erhalten. Das liegt unter anderem daran, dass die Symptome so verschieden und unspezifisch sind und oft im Wechsel auftreten – je nachdem, welche Gewebe und Drüsen durch das Immunsystem gerade besonders attackiert werden. Oft vermuten Ärzt:innen zuerst Allergien, Schilddrüsenerkrankungen oder gar psychische Beschwerden, bis das Blut auf bestimmte Autoantikörper hin untersucht und die Diagnose gestellt wird. Nach der rheumatoiden Arthritis ist das Sjögren-Syndrom die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Von 1.000 Menschen leiden vier an einem Sjögren-Syndrom.

Hinweis: Nur etwa 60 Prozent der Betroffenen haben charakteristische Antikörper im Blut. Zur Diagnose kann daher ergänzend eine Biopsie der Unterlippe hinzugezogen werden, bei der winzige Speicheldrüsen entnommen werden. Sind diese entzündet, deutet das auf das Sjögren-Syndrom hin.

Ursachen: Wie entsteht das Sjögren-Syndrom?

Beim Sjögren-Syndrom stuft das Immunsystem körpereigenes Gewebe fälschlicherweise als feindlich ein und bekämpft es: Es bildet Autoantikörper, welche das Gewebe und Drüsen attackieren. Es entstehen chronische Entzündungsprozesse, die nicht nur die Funktion der betroffenen Drüsen und Gewebe einschränken, sondern auch zu bleiben Gewebeveränderungen und Schäden führen können, wenn nicht frühzeitig behandelt wird. Warum der Körper plötzlich sich selbst angreift, ist nicht abschließend geklärt. Wissenschaftler:innen vermuten, dass bestimmte Stressereignisse das Immunsystem triggern und zu der Fehlleitung führen. Das können Infektionen sein, Veränderungen im Hormonhaushalt oder psychische Belastungen. Bei Frauen werden die Wechseljahre als Auslöser diskutiert.

Erbliche Veranlagung spielt eine Rolle

Ebenso wird eine erbliche Veranlagung vermutet, da Betroffene in ihrer Familie häufig Mitglieder haben, die ebenfalls an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung leiden. Aber: Eine genetische Veranlagung bedeutet nicht automatisch, dass das Sjögren-Syndrom ausbricht. Oft steht der Ausbruch mit einem für das Immunsystem stressigen Ereignis in Zusammenhang, etwa einer schweren Infektion. Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung ist ein bedeutender Risikofaktor: Viele Patient:innen mit einer rheumatoiden Arthritis, einem systemischen Lupus erythematodes oder einer anderen Kollagenose erkranken am sekundären Sjögren-Syndrom.

Hinweis: Das Sjögren-Syndrom kann als eigenständige Erkrankung auftreten (primäres Sjögren-Syndrom, pSS) oder als Folge einer anderen Krankheit (sekundäres Sjögren-Syndrom, sSS).

Sjögren-Syndrom: Symptome der Autoimmunerkrankung

Die Symptome des Sjögren-Syndroms sind vielfältig und können den gesamten Körper betreffen. Die meisten Betroffenen sind vor allem durch folgende Beschwerden belastet:

  • trockene, brennende Augen
  • Fremdkörpergefühl in den Augen
  • Bindehautentzündungen
  • erhöhtes Risiko für Hornhautschäden
  • trockener Mund
  • Heiserkeit, Halsschmerzen, trockener Husten
  • Schluckbeschwerden
  • trockene Nase
  • Nasenbluten
  • Beeinträchtigung von Geschmack und Geruch
  • Kurzatmigkeit
  • Geschwollene Speicheldrüsen und Halslymphknoten
  • trockene, juckende Haut
  • trockene Scheidenschleimhaut bei Frauen
  • entzündliche Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Kribbelgefühle am Körper
  • Taubheitsgefühle an Händen und Füßen
  • Durchblutungsstörungen der Finger (Raynaud-Syndrom)
  • Probleme, Dinge festzuhalten
  • starke Erschöpfung (Fatigue)
  • Schlafstörungen
  • Verdauungsstörungen
  • Fieber
  • vergrößerte Lymphknoten
  • erhöhtes Risiko für Lymphdrüsenkrebs (ca. 16-fach erhöhte Lymphomrisiko)
  • wiederkehrende Infekte durch Bakterien, Viren, Pilze, da die Abwehr der Schleimhäute geschwächt ist.
  • Gewichtsverlust
  • erhöhtes Kariesrisiko
  • erhöhtes Risiko für Haarausfall (Alopezie)

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Sjögren-Syndrom behandeln: Was Betroffenen hilft

Das Sjögren-Syndrom ist nicht heilbar. Die Therapie zielt darauf ab, die Überreaktion des Immunsystems einzudämmen und die Symptome zu lindern. Eine Hemmung des Immunsystems lässt sich mit sogenannten immunsupprimierenden Medikamenten erreichen, darunter Methotrexat und Azathioprin. Da diese erhebliche Nebenwirkungen haben können, sollte eine Einnahme gründlich abgewogen werden und der Wirkstoff individuell auf das Beschwerdebild abgestimmt sein. Um die Trockenheit zu verbessern, können Betroffene künstliche Tränen- und Speichelflüssigkeit anwenden.

Auch gibt es Arzneistoffe, etwa Pilocarpin, welche die Flüssigkeitsproduktion in den Drüsen unterstützen. Die Einnahme von Schmerzmitteln kann beim Auftreten von Gelenk- und Muskelschmerzen die Beschwerden verbessern. Entzündungsprozesse können mit Kortison oder Hydroxychloroquin gelindert werden. Wichtig ist in jedem Fall zuerst die Diagnose. Dann kann zusammen mit dem:der behandelnden Rheumatolog:in die Therapie besprochen werden.

Lesetipp: Trockene Augen: Ursachen und Hilfe.

Weitere Behandlungsempfehlungen beim Sjögren-Syndrom

Weitere Empfehlungen, welche Ärztinnen und Ärzte ihren Patient:innen geben:

  • Regelmäßig Trinken, um die Mundschleimhaut feucht zu halten.
  • Regelmäßig Zähne putzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta.
  • Augentropfen und Nasengele können Trockenheit lindern helfen.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt wahrnehmen.
  • Klimaanlagen meiden.
  • Vor Zugluft schützen.
  • Die Luftfeuchtigkeit in Räumen verbessern.
  • Nicht rauchen und Rauch vermeiden.
  • Eine Sonnenbrille zum Schutz der Augen tragen.
  • Eine rückfettende Hautpflege nutzen und auf heiße Bäder bei trockener Haut verzichten.
  • Stress reduzieren.
  • Auf eine gute Schlafhygiene achten.
  • Ausreichend Ruhezeiten einplanen. Wenn möglich, einen Mittagsschlaf machen.
  • Den Tag nicht so vollpacken und unter Berücksichtigung der eigene Leistungsfähigkeit planen.
  • Den Austausch mit anderen Betroffenen suchen. Rheumatolog:innenn, aber auch die Krankenkassen können oft Adressen von Selbsthilfegruppen nennen.

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Beim Sjögren-Syndrom arbeiten unterschiedliche Fachärzte zusammen. Neben Rheumatolog:innen sind das Augenärzt:innen, Zahnärzt:innen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzt:innen, Gynäkolog:innen, Schmerztherapeut:innen, Lungenfachärzt:innen, Nephrolog:innen (Nieren-Ärzte), Neurolog:innen, Kardiolog:innen und Psychotherapeut:innen. Welche Ärzt:innen die Betroffenen im Rahmen der Sjögren-Therapie begleiten, ist abhängig vom individuellen Krankheitsbild und den Beschwerden.
Angaben der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V. zufolge erkranken jährlich etwa vier von einer Million Erwachsenen neu an dem Sjögren-Syndrom. Schätzungen zufolge sind etwa zwei bis zehn von tausend Erwachsenen betroffen. Frauen erkranken häufiger am Sjögren-Syndrom als Männer. Die wagen Zahlen sind unter anderem darauf zurückzuführen, dass Experten von einer hohen Dunkelziffer nicht diagnostizierter Erkrankungsfälle ausgehen. Auch, weil viele Betroffene mit den unspezifischen Beschwerden oftmals nicht in die Arztpraxis gehen und selbst wenn sie gehen, oft Jahre bis zur Diagnose vergehen, in denen Betroffene einen wahren Ärztemarathon stemmen müssen. Laut der Rheuma-Liga vergehen vom Beginn der Autoimmunerkrankung bis zur Diagnose im Schnitt zehn Jahre. Im Durchschnitt zeigt die Erkrankung mit Mitte 40 erste Symptome.
Ärzte sprechen von Sjögren-Syndrom. Als Syndrom werden Krankheiten bezeichnet, die durch mehrere zusammen auftretende typische Symptome gekennzeichnet sind. Die einzelnen Symptome allein sind noch nicht charakteristisch. Erst das gemeinsame Auftreten macht das jeweilige Syndrom aus.

Quellen:

rheuma-liga.de: „,Sjögren-Syndrom,“. Online-Information der Deutschen Rheuma-Liga e. V.

rheuma-liga.de: „,Kollagenosen,“. Online-Information der Deutschen Rheuma-Liga e. V.

rheuma-liga.de: „,Wenn die Drüsen streiken – das Sjögren-Syndrom,“. Online-Broschüre (PDF) der Deutschen Rheuma-Liga e. V.

rheuma-liga.de: „,Sjögren-Syndrom,“. Online-Merkblatt (PDF) der Deutschen Rheuma-Liga e. V.

msdmanuals.com: „,Sjögren-Syndrom,“. Online-Information von MSD Manual. Ausgabe für medizinische Fachkreise.

gesundheit.gv.at: „,Sjögren-Syndrom,“. Online-Information des Öffentlichen Gesundheitsportals Österreich.

sjoegren-syndrom.de: „,Informationen zum Krankheitsbild,“. Online-Information der Sjögren-Syndrom-Selbsthilfe.

dgrh.de: „,Empfehlungen zur supportiven Therapie des Sjögren-Syndroms,“. Online-Information (PDF) der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V.

aerzteblatt.de: „,Diagnostik und Therapie des Sjögren-Syndroms,“. Online-Information des Deutschen Ärzteblatts.








Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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