Vergiftung bei Kindern: Was Eltern sofort tun müssen
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Vergiftung bei Kindern: Was Eltern sofort tun müssen

Vergiftungen bei Kindern sind besonders häufig. Ab einem Alter von zwei Jahren werden Kleinkinder beweglicher und neugieriger. In dieser Zeit gehen Kinder intensiv auf Erkundungstour und entdecken ihre Umwelt in großen Teilen mit dem Mund. Doch auch über die Haut können Giftstoffe (Toxine) aufgenommen werden. Ebenso können Kinder giftige Gase, etwa von Putzmitteln, einatmen. Vergiftung bei Kindern: Wo die größten Gefahren lauern, wie sich Vergiftungen bei Kindern verhindern lassen und wie Eltern im Notfall richtig reagieren.

Was sind die häufigsten Vergiftungen bei Kindern?

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) betreffen 90 Prozent aller Vergiftungsunfälle Kleinkinder im Alter zwischen zehn Monaten und vier, fünf Jahren. Vielen Eltern ist nicht bewusst, wie viele alltägliche Gegenstände und Substanzen im Haushalt für ihr Kind gefährlich werden können. Die kritischen Substanzen reichen von Seife über Shampoo bis hin zu Reinigungsmitteln, Medikamenten, Batterien, Pflanzen in Wohnung und auf dem Balkon sowie pflanzliche Lebensmittel.

Auch das Verschlucken einer Zigarettenkippe birgt enormes Gefahrenpotenzial: Bereits ein Zigarettenstummel kann eine lebensbedrohliche Vergiftung bei Kindern auslösen. Nikotin ist für den kleinen Körper ein extrem starkes Toxin. Dies gilt auch für Zigarren, Schnupf- und Kautabak sowie für Nikotinkaugummis zur Entwöhnung vom Rauchen.

Vergiftung bei Kindern: Symptome, die Eltern ernst nehmen müssen

Nicht immer bekommen die Eltern mit, wenn das Kind etwas in den Mund steckt, anfasst oder gar runterschluckt. Symptome, bei denen Eltern aufmerksam werden sollten und die auf eine Vergiftung beim Kind hindeuten können, sind – abhängig von der Kontaktsubstanz:

  • Schmerzen
  • Unruhe
  • Zittrigkeit
  • kalter Schweiß
  • Blässe
  • Schwellungen von Lippen, Zunge oder Haut
  • Rötungen von Haut, Schleimhäuten oder Augen
  • Husten
  • Würgen
  • vermehrter Speichelfluss
  • plötzliches, starkes Erbrechen (das Erbrochene kann schäumend sein.)
  • Atembeschwerden, nach Luft ringen
  • Torkeln, Gangunsicherheit
  • verwaschene Sprache
  • Krampfanfälle
  • Bewusstseinseintrübung
  • Verwirrung
  • Halluzinationen
  • Schläfrigkeit
  • Bewusstlosigkeit

Vergiftung: Kindern im Notfall richtig helfen

Bei einer Vergiftung beim Kind handelt es sich um einen Notfall. Eltern sollten daher sofort Kontakt zu einer Giftnotrufzentrale oder einem Giftinformationszentrum aufnehmen und erfragen, welche Erste Hilfe-Maßnahmen sie durchführen sollen. Verliert das Kind das Bewusstsein, treten Krampfanfälle auf, kommt es zu Verbrennungen oder Verätzungen oder hat das Kind starke Schmerzen, muss IMMER der Notarzt unter 112 gerufen werden.

 Vier Notfall-Tipps im Überblick bei Vergiftungen bei Kindern (Nur nach Rücksprache mit der Giftnotrufzentrale anwenden):

  1. Das Gift wurde über den Mund aufgenommen: Lassen Sie das Kind, wenn möglich, ausspucken und wischen Sie den Mund aus. Geben Sie dem Kind in kleinen Schlucken Wasser (ohne Kohlensäure), Tee (kühl) oder verdünnten Saft zu trinken. Wichtig: Keine Milch!
  2. Das Gift wurde eingeatmet: Öffnen Sie Fenster und Türen oder bringen Sie das Kind an die frische Luft. Achten Sie darauf, dass Sie das Gift nicht selbst einatmen.
  3. Das Gift ist in die Augen gelangt: Spülen Sie die Augen mindestens zehn Minuten mit fließendem, nicht heißem Wasser, aus. Achten Sie darauf, dass das Wasser direkt auf das Auge fließt, um die Toxine rasch und gründlich abspülen zu können. Suchen Sie anschließend einen Augenarzt oder eine Augenärztin auf oder rufen Sie in schweren Fällen den Rettungsdienst.
  4. Das Gift wurde über die Haut aufgenommen: Entfernen Sie die Kleidung, an der möglicherweise noch Gift haftet. Spülen Sie die betroffene Stelle gründlich mit Wasser ab. Tragen Sie zum Selbstschutz Handschuhe.
Vergiftung bei Kindern: Schnelle Hilfe durch die BfR-App

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bietet für Android-Betriebssysteme die BfR-App: Vergiftungsunfälle bei Kindern als Informations- und Nachschlagewerk für Vergiftungsunfälle und deren Vermeidung an. Das große Plus: Es gibt einen Notruf-Button, der direkt die Verbindung zu einem der neun zuständigen deutschen Giftinformationszentren (GIZ) erstellt, wenn die Ortungsfunktion des Handys aktiviert ist. Ebenso enthält die App wichtige Hinweise zu Erste Hilfe-Maßnahmen. Die App ist kostenlos.  

Vergiftung bei Kindern: Vier absolute No-Gos:

Bei einer Vergiftung beim Kind sollten Sie vier Fehler niemals machen:

  1. Versuchen Sie nicht, das Kind auf irgendeine Art zum Erbrechen zu bringen. Hat es Chemikalien wie eine ätzende Substanz getrunken, wird die Speiseröhre durch das Erbrechen und die Magensäure doppelt angegriffen. Werden schäumende Substanzen erbrochen, kann es zum Ersticken kommen.
  2. Geben Sie Ihrem Kind keine Milch zu trinken, da Milch in vielen Fällen die Giftaufnahme durch den Darm beschleunigt.
  3. Flößen Sie einem bewusstlosen Kind niemals Flüssigkeit ein.
  4. Erbricht das Kind, legen Sie es nicht hin. Es sollte aufrecht und leicht nach vorne gebeugt sitzen. Ist es bewusstlos, legen Sie es in die stabile Seitenlage, um Erstickung zu verhindern.

Vor Vergiftungsnotfall mit Kinderarzt sprechen

Vergiftungen bei Kindern sind recht häufig. Haben Sie ein kleines Kind, können Sie jederzeit das Gespräch mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin suchen und sich informieren, was Sie im Notfall in welcher Situation tun können und was die Hausapotheke für den Notfall bereithalten sollte – etwa medizinische Kohle, Schmerzmittel oder Entblähungstropfen mit dem Wirkstoff Simeticon. Bewahren Sie die Nummer eines Giftnotrufs in Ihrer Nähe gut sichtbar auf: etwa am Kühlschrank oder der Pinnwand. Auch können Sie die Nummer im Handy abspeichern oder im Portemonnaie aufbewahren. So haben Sie die Nummer im Giftnotfall gleich zur Hand.

Über die Suche der Gelben Seiten finden Sie Adressen von Giftnotrufzentralen und Giftinformationszentren in Ihrer Nähe. Auch über die Webseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit finden Sie eine Liste der Giftnotrufzentralen und Giftinformationszentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Tipp: Erste Hilfe-Kurs zur Vorbereitung

Informieren Sie sich, wann in Ihrer Nähe ein Erste-Hilfe-Kurs angeboten wird, der auf Kinder zugeschnitten ist. Ansprechpartner sind beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz oder der Arbeiter Samariter Bund (ASB). Im Kurs bekommen Sie unter professioneller Anleitung gezeigt, wie Sie im Vergiftungsnotfall richtig reagieren.

Vergiftungen bei Kindern vorbeugen: elf wichtige Basis-Tipps

Damit kleine Kinder nicht Gefahr laufen, mit giftigen Substanzen in Kontakt zu kommen, können Eltern eine Reihe verschiedener Schutzmaßnahmen ergreifen, um Gefahrenquellen zu eliminieren:

  1. Putz-, Wasch-, und Reinigungsmittel sollten immer unzugänglich für das Kind sein: etwa an einem möglichst hohen Ort verstaut werden oder in einem abschließbaren Schrank. Ideal ist es, wenn die Mittel zudem einen kindersicheren Verschluss haben.
  2. Bewahren Sie Nagellackentferner, Haarfärbemittel, Haarsprays, Haarschaum und Parfums unzugänglich auf.
  3. Für Medikamente ist ein abschließbarer Apothekenschrank am besten geeignet. So verhindern Sie eine Medikamentenvergiftung.
  4. Auch wenn sie ein gemütliches Raumklima machen: Duftlampen und Duftöle sind für Kinder ungeeignet. Nicht nur wegen des Vergiftungsrisikos. Das Einatmen ätherischer Öle kann schwere allergische Reaktionen verursachen und sogar zum Ersticken führen. Verzichten Sie auf Raumdüfte, Duftlampen und ätherische Öle, solange Ihr Kind noch klein ist.
  5. Lacke, Farben, Lösungsmittel und Sprays wie Imprägniersprays oder Insektenmittel bewahren Sie am besten im Keller auf, wo Ihr Kind nicht hinkommt.
  6. Lassen Sie Zigaretten, Aschenbecker, Feuerzeuge und Streichhölzer nie offen liegen. Da Zigarettenrauch für Kinder extrem schädlich ist, ist ein Rauchstopp Eltern dringend ans Herz zu legen.
  7. Lassen Sie Putzmittel und andere kritische Substanzen immer im Originalbehälter, um einer Verwechslung vorzubeugen.
  8. Verzichten Sie auf Spiritus und andere brennbaren Mittel wie Grillanzünder.
  9. Schauen Sie in der Wohnung, auf dem Balkon und im Garten nach, ob dort möglicherweise giftige Pflanzen wachsen, beispielsweise Eibe, Engelstrompete, blauer Eisenhut, Maiglöckchen, Schierling, Tollkirsche, Oleander, Weihnachtsstern und Goldregen. Sind Sie unsicher, gehen Sie in einen Gartenfachhandel und fragen Sie nach – oder verschenken die Pflanze, um einer Pflanzenvergiftung vorzubeugen.
  10. Geben Sie Ihrem Kind immer nur altersgerechtes Essen und achten Sie darauf, dass es nicht an kritische pflanzliche Lebensmittel gelangt, etwa Aprikosenkerne und Walnüsse wegen der enthaltenen Blausäure. Hülsenfrüchte dürfen nie roh verzehrt werden. Schneiden Sie bei Kartoffeln und Tomaten immer grüne Stellen und Stielansätze weg – sie enthalten Solanin. Schmeckt Gemüse wie Karotten, Gurken, Zucchini oder Kürbis bitter? Entsorgen Sie es.
  11. Lassen Sie Alkoholika nie in Reichweite von Kindern stehen. Trinken Kinder Alkohol, droht eine schwere Alkoholvergiftung.
Eine Vergiftung bei Kindern ist ein Notfall. Zeigt das Kind Vergiftungserscheinungen sollten Eltern rasch handeln. Dennoch sollten Eltern versuchen, Ruhe zu bewahren – auch, um das Kind nicht noch mehr zu erschrecken. Während eine Person bei dem Kind bleibt, um Erste Hilfe leisten zu können, ist es gut, wenn eine zweite Person nachschaut, ob sich Hinweise auf die Substanz finden lassen, etwa eine Tablettenpackung, eine geöffnete Flasche Waschmittel oder Pflanzenbestandteile. Dann sollte rasch der Notruf unter 112 gerufen und der Verdacht auf eine Vergiftung geäußert werden. Teilen Sie zudem mögliche Hinweise auf die toxische Substanz mit.
Während der Notarzt auf dem Weg ist, ist es ratsam, bei einer Giftnotrufzentrale anzurufen und sich Rat zu holen. Zudem sollten folgende Hinweise berücksichtigt werden (sofern die Experten des Giftnotrufs nichts anderes sagen): Kein Erbrechen herbeiführen. Übergibt sich das Kind, ist es wichtig, darauf zu achten, dass es Erbrochenes nicht einatmet. Liegt das Kind auf dem Boden, sollte der Kopf zur Seite gelegt werden, damit Erbrochenes aus dem Mund laufen und mit einem Gefäß aufgefangen werden kann - das kann den Arzt möglicherweise bei der Identifizierung der giftigen Substanz helfen. Sitzt das Kind, sollte es nach vorne gebeugt sein und das Erbrochene ebenfalls in ein Gefäß aufgefangen werden. Bei Bewusstlosigkeit das Kind in die stabile Seitenlage bringen. Bei schwacher Atmung das Kind beatmen, bei Herzstillstand unverzüglich mit der Herzmassage beginnen, bis der Rettungsdienst übernimmt.  Ratschläge der Giftnotrufzentrale und des Notarztes befolgen. 
Bei Vergiftungen durch Säuren, Laugen oder Schaumbildner (Spülmittel) darf auf keinen Fall Erbrechen herbeigeführt werden, da die Gefahr besteht, dass die Giftstoffe eingeatmet werden und es zu Lungenschäden kommt. Bei Atemstillstand durch Vergiftungen mit Kontaktgiften (Pflanzen- oder Insektenschutzmittel) sollte aufgrund der Selbstgefährdung keine Mund- zu-Mund-Beatmung durchgeführt werden. Dies übernimmt der Notarzt. Handeln Sie nicht unüberlegt. Kontaktieren Sie die Giftnotrufzentrale und fragen Sie nach, was Sie tun sollen. 

Quellen:

Vergiftungen bei Kindern: Worauf muss man im Haushalt achten? Online-Information der Stiftung Gesundheitswissen.

Risiko Vergiftungsfälle bei Kindern. Verbraucherinformation des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

BfR-App: Vergiftungsunfälle bei Kindern. Online-Information des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

Vergiftungen und Verätzungen verhindern. Online-Information auf kindergesundheit-info.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Vergiftungen. Online-Information des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ).

Was tun bei Vergiftungen? Merkblatt Sofortmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
Ann-Kathrin Landzettel
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