Multiple Sklerose-Symptome: häufige Beschwerden bei MS
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Multiple Sklerose-Symptome: häufige Beschwerden bei MS

Die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Entsprechend sind die Symptome der Multiplen Sklerose sehr vielfältig und können unter anderem Motorik, Koordination, Gleichgewicht und die Wahrnehmung über die Sinnesorgane beeinträchtigen. Multiple Sklerose-Symptome: Die vielen Gesichter der MS.

Multiple Sklerose: Symptomlinderung ist Therapieziel

Heilbar ist Multiple Sklerose nicht. Das Ziel der Behandlung liegt darin, das fehlgeleitete Immunsystem, das fälschlicherweise die Schutzhülle der Nervenfasern (Myelin) angreift, bestmöglich zu regulieren. Dadurch soll weiteren Krankheitsschüben, Entzündungsprozessen und Vernarbungen in Gehirn und Rückenmark (MS-Herde oder MS-Plaques) möglichst entgegengewirkt werden beziehungsweise die Schwere der Multiple Sklerose-Symptome eingedämmt werden. Hierfür arbeiten Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammen.

Was ist Myelin?

Die meisten Nervenzellen (Neuronen) sind von einer fetthaltigen Schutzschicht umgeben: dem Myelin. Das Myelin wirkt wie eine Isolierschicht bei einem Stromkabel: Es schützt die Nervenfasern und gewährleistet eine reibungslose Weiterleitung der elektrischen Nervenimpulse. Bei MS greift das Immunsystem genau diese Schutzschicht an, weil es das Myelin, beziehungsweise Eiweiße (Proteine) auf der Oberfläche der Myelinzellen fälschlicherweise als Feind einstuft. In Folge entzünden sich die Nerven und nehmen Schaden. Es kommt zu Fehlern bei der Weiterleitung von Informationen zwischen Gehirn, Rückenmark und Körper.

Multiple Sklerose-Symptome: Anzeichen einer MS

Die Symptome der Multiplen Sklerose, medizinisch auch Encephalomyelitis disseminata (ED) genannt, können sehr vielfältig sein. Deshalb wird die Krankheit auch als „Krankheit mit 1000 Gesichtern“ bezeichnet. Zudem sind die Symptome häufig sehr unspezifisch – vor allem zu Krankheitsbeginn – und passen auch auf andere Krankheitsbilder. Das macht es Ärzten oftmals schwer, der Multiplen Sklerose auf die Spur zu kommen. Da MS eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ist, können unter anderem Motorik, Koordination, Gleichgewicht und die Wahrnehmung über die Sinnesorgane beeinträchtigt sein. Häufig treten Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle sowie Lähmungen an verschiedenen Stellen des Körpers hinzu. Auch Sehstörungen und Schmerzen gehören zu den häufigen Symptomen der MS.

Welche Multiple Sklerose-Symptome auftreten, ist davon abhängig, welche Nerven beschädigt sind und wo sich im zentralen Nervensystem MS-Herde bilden. Die winzigen Vernarbungen (Läsionen), die in Folge des Immunangriffs und der Entzündungsreaktion entstehen, stören die Weiterleitung elektrischer Nervenimpulse. Sind die Nervenfasern (Axone) degeneriert, die die Sinnesinformationen tragen, entstehen Empfindungsprobleme, also sensorische Symptome. Sind Nervenfasern betroffen, die Signale an die Muskeln weitergeben, entstehen Bewegungsstörungen, also motorische Symptome.

Symptome der Multiplen Sklerose: Wie erkenne ich Multiple Sklerose?

Hier möchten wir einen Überblick über mögliche Multiple Sklerose-Symptome geben. Die genannten Beschwerden stellen lediglich eine Orientierung dar und sind nicht vollständig skizzierbar. MS ist eine sehr individuelle Erkrankung und zeigt sich bei jedem Betroffenen mit anderen Symptomen in unterschiedlicher Ausprägung. Es gibt nicht das EINE Krankheitsbild.

Symptome der Multiplen Sklerose können sein:

  • Schmerzen
  • Missempfindungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln, Brennen
  • Störungen der Motorik
  • Lähmungserscheinungen
  • Steifigkeitsgefühle vor allem der Beine (Spastik) und Krämpfe
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Sehstörungen infolge entzündeter Sehnerven (Optikusneuritis)
  • Konzentrationsstörungen
  • Störungen der Merkfähigkeit
  • gestörte Aufmerksamkeit
  • Sprechstörungen
  • Blasenstörungen: nicht gut kontrollierbarer Harndrang/ Inkontinenz/ Blasenentleerungsstörung
  • Darmstörungen, etwa Verstopfung
  • starke Erschöpfung und Müdigkeit (Fatigue)
  • Schwindel
  • sexuelle Funktionsstörungen
  • depressive Verstimmungen/ Depression

Spätere mögliche Multiple Sklerose-Symptome

Je weiter die Multiple Sklerose fortschreitet, desto ausgeprägter sind meist die Symptome. Die Bewegungsabläufe können unsicherer, unkoordinierter und zittriger werden. Lähmungen können zunehmen – bis hin zur kompletten Lähmung der Betroffenen. Schmerzhafte Krämpfe treten häufig vermehrt auf. Immer öfter sind MS-Betroffene im fortgeschrittenen Stadium auf Gehhilfen oder den Rollstuhl angewiesen. Durch Bewegungseinschränkungen kann begleitend eine Osteoporose (instabile Knochen) hinzukommen.

Auch ist es möglich, dass Emotionen nicht mehr kontrolliert werden können und Betroffene beispielsweise unkontrolliert lachen oder weinen. Das Sprechen kann zunehmend undeutlicher und langsamer werden. Die Kontrolle der Blasenentleerung und des Stuhlgangs kann erschwert sein. Depressionen können die MS begleiten. In seltenen Fällen kommt es im Spätstadium zu Demenz.

Wie entwickelt sich Multiple Sklerose mit der Zeit?

Wie bereits angedeutet, es eine Vorhersage des MS-Verlaufs nicht möglich, da die Erkrankung zu individuell ist und sich bei jedem Betroffenen auch der Verlauf beziehungsweise die Symptommuster anders entwickeln. So ist es möglich, dass sich Schübe und Remissionsphasen (stabile Phasen/ Erholungsphasen) abwechseln, die Krankheit im Großen und Ganzen aber recht stabil bleibt. Denkbar ist aber auch, dass sich Schübe und Remissionen abwechseln und die Erkrankung weiter fortschreitet. Auch kann der Erkrankungsverlauf beständig fortschreiten.

Die drei Verlaufsformen der Multiplen Sklerose

Mediziner unterscheiden drei MS-Verlaufsformen:

  1. Schubförmig remittierende MS (RRMS): Die Symptome kommen in Schüben und bilden sich in manchen Fällen vollständig, in anderen Fällen unvollständig zurück. Auf einen Schub folgt eine Erholungsphase (Remission), in der keine oder nur wenige Symptome auftreten. Die schubförmig remittierende MS ist mit etwa 85 bis 90 Prozent die häufigste Verlaufsform der MS.
  2. Primär progrediente MS (PPMS): Die Multiple Sklerose schreitet von Anfang an stetig fort. Die Behinderung nimmt konstant zu – ohne das Auftreten von Schüben. Vor allem Patientinnen und Patienten mit einem späteren Krankheitsbeginn ab 40 Jahren sind von dieser Verlaufsform betroffen. Etwa 10 Prozent der MS-Betroffenen haben PPMS.
  3. Sekundär progrediente MS (SPMS): Die SPMS kann sich aus der RRMS entwickeln. Die Beschwerden nehmen kontinuierlich zu. Die Behinderungen bilden sich nicht mehr zurück und können sich unabhängig vom Auftreten eines Schubes weiter verstärken.

Mediziner sprechen von einem Schub, wenn entweder ein neues MS-Symptom auftritt oder sich ein bestehendes MS-Symptom verstärkt und die Beschwerden mindestens 24 Stunden andauern.

Zu welchem Arzt bei Verdacht auf Multiple Sklerose?

Die Diagnose der Multiple Sklerose fällt in das Gebiet der Fachärzte für Neurologie. In großen Kliniken arbeiten Neurologinnen und Neurologen (Nervenarzt) mit Neuroradiologen, Fachärzten für Innere Medizin und bei Bedarf mit Physiotherapeuten, Psychologen und anderen Ärzten zusammen, um MS-Patientinnen und -patienten zu betreuen.  Der erste Ansprechpartner ist oft der Hausarzt, zu dem die Betroffenen mit bestimmten Beschwerden oder dem MS-Verdacht kommen. Der Hausarzt beziehungsweise die Hausärztin überweist bei Bedarf zur weiteren Abklärung zu anderen Fachärzten weiter.

Die Multiple Sklerose-Ursachen sind bislang nicht abschließend geklärt. Was Experten wissen, ist, dass erbliche Faktoren und Umweltfaktoren bei der Entstehung der Autoimmunerkrankung MS eine Rolle spielen. Als auslösende Faktoren werden virale Infektionen, etwa durch Herpes-Viren, Masern-Viren oder Epstein-Barr-Viren diskutiert, ebenso Sonnenlicht-Mangel (Vitamin D-Mangel) und Rauchen. Multiple Sklerose ist keine klassische Erbkrankheit, da nicht die MS, sondern nur eine Neigung, möglicherweise an dieser zu erkranken, vererbt wird.
MS führt nicht bei allen Betroffenen zu einem Leben im Rollstuhl. Nicht ganz die Hälfte der an MS Erkranken sind im Verlauf der Krankheit auf einen Rollstuhl angewiesen. Häufig kann eine auf den Patienten zugeschnittene Therapie den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen und ihm ein unabhängiges Leben ermöglichen. Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zufolge führt MS bei unter fünf Prozent der Betroffenen innerhalb weniger Jahre zu schwerer Behinderung.
Zur Orientierung für Ärzte gibt es international anerkannte Diagnosekriterien, die McDonald-Kriterien, welche die Diagnosestellung unterstützen. Neben der Anamnese (Erfragung der Beschwerden) und der körperlichen Untersuchung ergänzen weitere Untersuchungen die Eingrenzung des Verdachts MS. Dazu gehören unter anderem neurologische Untersuchungen, eine MRT-Untersuchung zur Feststellung von Entzündungsherden im Gehirn, die Untersuchung von Nervenwasser aus dem Rückenmark (Lumbalpunktion/ Spinalpunktion) sowie die Messung der Nervenleitfähigkeit. Es ist immer die Kombination der verschiedenen Befunde, welche die Diagnosesicherheit erhöht. Ein einzelner Befund reicht für die Diagnose Multiple Sklerose nicht aus.

Quellen:

Was ist Multiple Sklerose? Online-Information der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). (Stand: 19. Mai 2021)

Frühsymptome bzw. erste Anzeichen einer Multiplen Sklerose (MS). Online-Information der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz. (Stand: Aufgerufen am 28. Mai 2021)

Multiple Sklerose (MS). Online-Information MSD Manual. Ausgabe für Patienten. (Stand: Februar 2020)

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
AL
Ann-Kathrin Landzettel
Autor/-in
Ann-Kathrin Landzettel M. A. ist Gesundheitsjournalistin aus Leidenschaft. Vor allem zwei Fragen treiben die geprüfte Gesundheits- und Präventionsberaterin an: Wie können wir lange gesund bleiben – und wie im Krankheitsfall wieder gesund werden? Antworten findet sie unter anderem im intensiven Austausch mit Ärztinnen und Ärzten sowie in persönlichen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten. Seit fast zehn Jahren gibt sie dieses Wissen rund um Gesundheit, Medizin, Ernährung und Fitness an ihre Leserinnen und Leser weiter.
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