Parkinson Ursachen: Beginnt alles in Darm und Nase?
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Parkinson Ursachen: Beginnt alles in Darm und Nase?

Bei Parkinson sterben im Gehirn Zellen ab, die das für Signalübertragungen zwischen Nervenzellen wichtige Dopamin produzieren. Nur in seltenen Fällen kennt man die Ursache. Allerdings verdichten sich die Hinweise, dass die häufigste Form, das idiopathische Parkinson-Syndrom, in Nase und Verdauungstrakt beginnt. Das passt zu der Beobachtung, dass viele Patienten im Frühstadium von Morbus Parkinson an Magen-Darm-Problemen und Verlust des Geruchssinnes leiden.

Sinkende Dopamin-Spiegel durch absterbende Nervenzellen

Neurodegenerative Erkrankungen zeichnen sich dadurch aus, dass im Laufe der Zeit immer mehr Nervenzellen absterben. Bei Parkinson sind davon vor allem Zellen betroffen, die Dopamin produzieren. Diesen Botenstoff benötigen zahlreiche Nervenzellen für ihre Kommunikation. Das meiste Dopamin stellt die Schwarze Substanz (Substantia nigra) des Mittelhirns (Mesencephalon) her.

Ihren Namen hat sie von dunklen Einlagerungen aus Eisenverbindungen und Melanin, das auch die Haut dunkel färbt. Die Substantia nigra ist für Bewegungskoordination und Feinmotorik zuständig. Daher führt Dopaminmangel zu den für Parkinson typischen Symptomen Zittern (Tremor), Muskelsteifigkeit (Rigor) und Bewegungsverlangsamung (Bradykinese). Den Ausgleich eines solchen Dopaminmangels ermöglicht Levodopa (L-Dopa), welches das Gehirn in Dopamin umwandelt. L-Dopa ist das Basismedikament jeder Parkinson-Behandlung.

Die verschiedenen Formen von Parkinson

Verschiedenen Ursachen lösen einen Verlust an Dopamin-produzierenden Zellen aus. Bekannt sind diese nur in einigen Fällen.

Idiopathisches (sporadisches) Parkinson-Syndrom

Bei rund achtzig Prozent der Erkrankungen ist keine Ursache feststellbar. Medizinisch bezeichnet man diese Variante als idiopathisch. Diese Hauptform der Erkrankung tritt meist erst nach dem fünfzigsten Lebensjahr auf.

Familiäres Parkinson-Syndrom

Eine Erkrankung mit erblicher Komponente tritt in weniger als zehn Prozent der Fälle auf. Vier Genorte (PARK1 bis PARK4) konnte man bislang identifizieren, in anderen Fällen ist die DNA der Mitochondrien verändert. Die familiäre Form zeichnet sich dadurch aus, dass sie vor dem fünfzigsten Lebensjahr, oft bereits im dritten Lebensjahrzehnt beginnt.

Atypisches Parkinson-Syndrom

Hier stehen andere Erkrankungen des Nervensystems im Vordergrund, welche die Substantia nigra in Mitleidenschaft ziehen. Dazu zählen die Lewy-Körperchen-Demenz, Multisystematrophie (MSA), corticobasale Degeneration (CBD) und die progressive supranukleäre Blickparese (PSP). Dementsprechend kommen hier je nach Grunderkrankung weitere Beschwerden zu den Parkinson-typischen Symptomen hinzu. Solche häufig als "Parkinson-Plus" bezeichneten Fälle sprechen auf eine Behandlung mit L-Dopa nur selten an.

Sekundäres (symptomatisches) Parkinson-Syndrom

Sekundär bedeutet, dass atypische Ursachen Symptome auslösen, die denen des Morbus Parkinson ähneln. Dazu gehören Hirntumoren, eine Arteriosklerose kleiner Hirngefäße (vaskuläre Demenz, vor allem Morbus Binswanger) oder kleinere Schlaganfälle.Zu ähnlichen Beschwerden führt eine ganze Reihe von Medikamenten. Dazu zählen Neuroleptika wie Haloperidol gegen Psychosen oder Lithium gegen Depressionen und bipolare Störungen, Mittel gegen Übelkeit wie Metoclopramid oder das Migränemittel Flunarizin. Parkinson-ähnliche Symptome lösen auch Vergiftungen mit Kohlenmonoxid oder Mangan aus. Jahrelange Gehirnerschütterungen führen zum "Boxer-Parkinson", der durch die Erkrankung des Boxweltmeisters Muhammad Ali traurige Berühmheit erlangte.

Beginnt das idiopathische Parkinson-Syndrom in Darm und Nase?

Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom leiden bereits früh an Schlafstörungen, Verlust des Geruchssinnes und Magen-Darm-Problemen. Überraschenderweise findet man ein typisches Indiz von Parkinson zuerst in Nase und Darm: alpha-Synuclein, ein Eiweiß, das normalerweise in der Membran von Nervenzellen sitzt und die Ausschüttung von Dopamin reguliert. Bereits vor Ausbruch der Erkrankung taucht es in den Enden der beiden Riechnerven (Riechkolben, Bulbus olfactorii) und im Meissner-Plexus (Plexus submucosus) auf, einem Nervengeflecht von Magen und Darm. 

alpha-Synuclein schützt die Nervenzellen

Bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen, allen voran Alzheimer und Parkinson, ist alpha-Synuclein falsch gefaltet und damit funktionsunfähig. Dadurch sammelt sich Dopamin in der synthetisierenden Nervenzelle an und bringt sie zum Absterben. Bevor es so weit kommt, bildet fehlgefaltetes alpha-Synuclein zusammen mit anderen defekten Proteinen sogenannte Lewy-Körperchen. Diese erscheinen in Riechkolben und Meissner-Plexus lange vor den ersten Anzeichen von Parkinson. Den Neuroanatomen Heiko Braak hat das 2007 zur Zwei-Treffer-Hypothese (Dual hit-Hypothese) veranlasst. Diese geht davon aus, dass ein unbekanntes Pathogen über Nase und Darm ins Gehirn gelangt und dort Parkinson auslöst.

Durchtrennung des Vagusnerven vermindert das Parkinson-Risiko

An der TU Dresden konnte man 2012 zeigen, dass Umweltgifte im Darm von Mäusen eine Fehlfaltung von alpha-Synuclein verursachen. Über den Nervus vagus, einen großen Nerven des sympathischen Nervensystems, gelangen diese ins Gehirn und führen zu Parkinson-ähnlichen Symptomen. Durchtrennte man die am Magen vorbeilaufenden Äste des Nervus vagus, blieb diese Erscheinung aus. Das hat schwedische und dänische Wissenschaftler dazu veranlasst, in zwei Studien die Häufigkeit von Parkinson bei Vagotomie-Patienten zu überprüfen. Vagotomie bezeichnet eine Durchtrennung des Vagusnerven, mit der man jahrelang Magengeschwüre und Geschwüre des Zwölffingerdarms therapierte.

Der Nerv steuert die Sekretion von Magensäure, die solche Geschwüre auslöst. Heute führt man solche Operationen nur noch selten durch, da sich die Säureproduktion durch Protonenpumpenhemmer einschränken lässt. Zudem hat man als Hauptverursacher solcher Geschwüre das Bakterium Helicobacter pylori ausgemacht, das man mit Antibiotika erfolgreich zu bekämpfen vermag. Beide Studien zeigen, dass Vagotomie das Parkinson-Risiko teilweise dramatisch reduziert. Nach der schwedischen Studie sank das Risiko einer Erkrankung um 41 Prozent, wenn die Vagotomie länger als fünf Jahre zurücklag. Gemäß der Dual Hit-Hypothese könnten die übrigen Fälle durch das Eindringen über den Riechnerven zustande kommen.

Wie kommt es in Darm und Nase zur Fehlfaltung von alpha-Synuclein?

Das ist die entscheidende Frage. Heiko Braak ging in seiner Hypothese von einem Virus aus. Heute glauben viele Forscher, dass Umweltgifte wie Pestizide oder die Giftstoffe (Endotoxine) von Darmbakterien die Umwandlung auslösen. Bisher kann man lediglich die Symptome von Parkinson therapieren. Lässt sich diese Frage klären, rückt erstmals eine ursächliche Behandlung in greifbare Nähe.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.
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